Anlässlich des 65-jährigen Jubiläums unserer Zeitschrift veröffentlichen wir an dieser Stelle wöchentlich eine kleine Anekdote aus den historischen Ausgaben unserer Zeitschrift. Und nun, kurz vor Beginn der VDV-Jahrestagung 2018 in Potsdam, richten wir in dieser Woche unseren Blick in Richtung Ostdeutschland. Genauer gesagt nach Berlin. Denn dort begannen die 90er Jahre mit einem Paukenschlag.
In der Mai-Ausgabe der Nahverkehrs-praxis des Jahres 1990 hieß es: „Die in dieser Plötzlichkeit unerwartete Entwicklung, die sich mit der Grenzöffnung durch die DDR am 09. November 1989 für West-Berlin und insbesondere für die Berliner Verkehrs-Betriebe ergab, stellte die BVG vor Aufgaben, die zunächst einmal als kaum zu bewältigen erschienen.“
Und tatsächlich, die Ereignisse des Jahres 1989 führten zu einer wahrhaften Explosion der Fahrgastzahlen. Stiegen im Dezember 1988 noch 194.000 Fahrgäste an der Westberliner Station Rudow in die U-Bahn, so verelffachte sich diese Zahl im Dezember 1989 und stieg auf über zwei Millionen Personen (2.140.000) an. Der Fall der Berliner Mauer vereinte nicht nur die Menschen in Ost und West wieder, sondern auch die beiden Berliner Verkehrsunternehmen. Das VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) aus West-Berlin.
Und dieses Zusammenwachsen der Infrastruktur stellte den Berliner Nahverkehr vor große Probleme. Die BVG sah sich nicht mehr im Stande, den Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten und sandte einen Hilferuf an die Mitgliedsunternehmen des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV). Circa 30 Mitgliedsunternehmen des späteren VDV, aber auch private Busunternehmer reagierten und sandten etliche Busse und freiwillige Helfer nach Berlin, um die Aufrechterhaltung des Nahverkehrs gewährleisten zu können. Was folgte, waren die Wiedereröffnung zahlreicher Haltestationen, die in der Zeit des Kalten Kriegs geschlossen wurden und ein Zusammenwachsen der beiden Berliner Verkehrsunternehmen. Eine Zusammenarbeit, die schon im Frühjahr 1990 von der Nahverkehrs-praxis als „in vielerlei Hinsicht […] fruchtbar“ bezeichnet wurde.
Und auch bundesweit prägte die Wende der Nahverkehr auf vielfältige Art und Weise. Eine unmittelbare Folge war die Vereinigung der drei großen Verkehrsverbände. Des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV), des Bundesverbandes Deutscher Eisenbahnen, Kraftverkehre und Seilbahnen (BDE) sowie des VÖV der ehemaligen DDR. Sie schlossen sich am 6. November 1990 zusammen zum Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).