Die Berichterstattung über die Einleitung eines geordneten Schutzschirmverfahrens für Abellio, einen der größten Wettbewerber der Deutschen Bahn im Schienenpersonennahverkehr (SPNV), wirft ein Schlaglicht auf die Bedrohung des Wettbewerbs auf der Schiene.
„In den vergangenen Jahren hat die Zahl der ‚notleidenden‘ Verkehrsverträge deutlich zugenommen. Das gilt für alle Marktteilnehmer – nicht nur für die Wettbewerbsbahnen, sondern auch für DB Regio. Zumindest dort, wo sie sich ebenfalls im Wettbewerb behaupten muss. Die sinkende Auskömmlichkeit mancher Verkehrsverträge ist aber nicht die Schuld der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Vielmehr müssen sie noch immer Folgen schlechter Infrastruktur und schlechten Baustellenmanagements der DB Netz ausbaden“, sagt mofair-Präsident Tobias Heinemann.
Er fährt fort: „Auf unvorhersehbare Marktentwicklungen wie explodierende Personalkosten allein mit einem pacta sunt servanda zu antworten, wie es viele Aufgabenträger tun, reicht nicht mehr aus. Wenn Verkehrsverträge nicht flexibler gehandhabt werden, werden sich immer weniger Unternehmen auf dem SPNV-Markt engagieren. Dann droht die Rückkehr zum alten Monopol.“
Der Wettbewerb machte den SPNV bunter und attraktiver, und den Fahrgästen gefällt es. In der Mitte der Zehnerjahre aber ballten sich verschiedene Herausforderungen:
- Die Wettbewerbsintensität bei Vergabeverfahren war besonders hoch. Knappe Kalkulationen und Margen waren die Folge.
- Die Wertschöpfungskette wurde verkürzt: Beispielsweise wurden der Fahrausweisvertrieb, die Fahrzeugbeschaffung, die Fahrzeugwartung oder alles gleichzeitig nicht an ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, sondern an separate Dienstleister vergeben. Ein Ausgleich der Risiken des einen Kettenglieds mit den Chancen eines anderen war nicht mehr möglich.
- Parallel dazu wurden die Vorgaben der Aufgabenträger immer detaillierter. Die Möglichkeiten der einzelnen EVU, sich von den Mitbewerbern positiv abzusetzen, wurden entsprechend geschmälert. Letztlich wurde immer mehr der Preis als „hartes“ Vergabekriterium allein entscheidend.
Daneben ergaben sich zwei unvorhersehbare Entwicklungen, die die vorherigen Kalkulationen vieler EVU über den Haufen warfen:
- Der Zustand der Infrastruktur (Gleise, Weichen, Signale, Bahnübergänge) war und ist noch schlechter als vermutet und sorgt für Verspätungen und Zugausfälle. Dafür werden den EVU die Leistungsentgelte gekürzt.
- In Tarifverhandlungen konnten die Gewerkschaften viele Erfolge für die Mitarbeiter erzielen. Den Mehrbedarf an Personal aber kann der Arbeitsmarkt längst nicht mehr erfüllen. Zusätzliche Ausbildungskosten der EVU gingen durch die Decke.
Diese Herausforderungen sind nicht spezifisch für die Wettbewerbsbahnen, sondern betreffen alle Marktteilnehmer. DB Regio kann sie aufgrund ihrer schieren Größe aber leichter abfedern. Zudem kann die DB, wie gerade die Debatten um das Klimaschutzpaket 2019 und die Coronahilfen gezeigt haben, jederzeit mit der Unterstützung durch den deutschen Steuerzahler rechnen.
Quelle: mofair