Gehen regionalen Verkehrsunternehmen durch das Deutschlandticket Stammkunden verloren? Nicht, wenn sie schnell sind und sich auf ihre ureigenen Stärken besinnen, sagt Martin Timmann im Interview. Der Geschäftsführer von HanseCom erläutert, worauf es jetzt ankommt.
Herr Timmann, das Deutschlandticket ist beschlossene Sache. Was bedeutet das für den öffentlichen Nahverkehr?
Timmann: Es bedeutet auf jeden Fall eine große Zäsur. Wir stehen vor einer echten Wende, die für den ÖPNV viele Chancen, aber auch Risiken mit sich bringt. Ein unkompliziertes und relativ kostengünstiges Ticket, das deutschlandweit im ÖPNV und Regionalverkehr gilt, ist eine hervorragende Möglichkeit, neue Kunden für geteilte Mobilität zu gewinnen. Sie können mit dem Ticket überall fahren und sind nicht gezwungen, sich mit der lokalen Tarifstruktur auseinanderzusetzen. Einfacher geht’s wirklich nicht. Natürlich braucht es auch Konzepte für die erforderliche Infrastruktur, denn wenn potenziell mehr Menschen Bus und Bahn fahren, muss das Angebot auch ausgeweitet werden. Und speziell für den ländlichen Raum muss öffentlicher Nahverkehr neu gedacht werden. Das Deutschlandticket hat aber definitiv das Zeug dazu, mehr Menschen vom motorisierten Individualverkehr abzuhalten und damit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten.
Und wo sehen Sie Risiken?
Timmann: Besonders für regionale Verkehrsunternehmen gibt es auch eine Kehrseite der Medaille. Das Deutschlandticket ist in vielen Regionen günstiger als das bisher preiswerteste Abo. Einnahmeverluste und Finanzierungslücken sind die Folge. Da das Ticket deutschlandweit gilt, können Kunden es außerdem bei einem Anbieter ihrer Wahl kaufen. Das muss nicht zwangsläufig das Verkehrsunternehmen der eigenen Region sein. Zusätzlich zu den potenziellen Einnahmeverlusten müssen sie deshalb damit rechnen, dass sie auch Teile ihrer wichtigsten Zielgruppe, nämlich ihre Stammkunden, verlieren.
Wie lässt sich Ihrer Ansicht nach die Abwanderung von Stammkunden verhindern?
Timmann: Damit Verkehrsunternehmen im Wettbewerb gegen deutschlandweit agierende Anbieter bestehen können, müssen sie ihren Kunden schnell attraktive Zugänge zum Deutschlandticket bieten. Wir kennen das ja bereits vom bundesweiten 9-Euro-Ticket und auch vom 29-Euro-Ticket in Berlin: Sobald diese Tickets für den Verkauf freigegeben waren, gab es einen regelrechten Run darauf. Es ist anzunehmen, dass sehr viele Menschen sich wieder so verhalten und das Deutschlandticket sofort kaufen wollen. Um möglichst viele Bestandskunden zu binden, sollten Verkehrsunternehmen jetzt in einem ersten Schritt Lösungen schaffen, die ihren Kunden einen einfachen Weg zum Deutschlandticket eröffnen.
Wie können solche Lösungen konkret aussehen?
Timmann: Das kann beispielsweise die Vorreservierung und der Vorverkauf in Webshops, Abo-Online-Systemen und mobilen Apps sein. Wir stehen bereits mit vielen Verkehrsunternehmen im Austausch, um ihnen das schnell und unkompliziert zu ermöglichen. Gemeinsam mit ihnen schaffen wir einfache Lösungen für Reservierung und Kauf des Tickets mit neuen oder bestehenden Webshops und Abo-Online-Systemen.
Nutzer können sich das Deutschlandticket damit selbst zuhause ausdrucken oder es wird ihnen als digitaler Fahrschein auf dem Handy ausgegeben, sobald es verfügbar ist. Zudem unterstützen wir Verkehrsunternehmen dabei, auch ihre eigenen lokalen Apps für die Reservierung und den Kauf fit zu machen, und natürlich wird das Deutschlandticket auch über die HandyTicket Deutschland App verfügbar sein. Wer noch nicht über einen digitalen Vertriebskanal verfügt, dem steht unsere schlanke Whitelabel-App zur Verfügung. Verkehrsunternehmen können sie kurzfristig und damit noch rechtzeitig bis zum Verkaufsstart in Betrieb nehmen.
Das komplette Interview lesen Sie in der Nahverkehrs-praxis 11-12/2022.