Treue-Bonus und Schnupper-Ticket: 9-Euro-Ticket zum Erfolg führen

Gastkommentar des VDV-Präsidenten Ingo Wortmann

Die Verblüffung hätte nicht größer sein können. In hohem Maße überrascht nahm die Branche Ende März den Beschluss des Koalitionsausschusses zur Kenntnis, dass die Bürgerinnen und Bürger mit einer deutlichen Preissenkung finanziell entlastet werden sollen – nicht nur an der Tankstelle, sondern richtigerweise auch bei der Nutzung des ÖPNV. Schnell setzte sich beim Branchenverband VDV, getragen durch die Mitgliedsunternehmen und -verbünde, die Erkenntnis durch, dass man diese Gelegenheit entschlossen beim Schopfe packen muss, um Kundeinnen und Kunden für den ÖPNV zurück oder neu zu gewinnen. Vor Einführung waren bzw. sind aber sehr viele Fragen zu klären.
Mit dem Entlastungspaket 2 reagiert der Bund auf die stark gestiegenen Energie- und Kraftstoffpreise in Deutschland. Er verfolgt damit das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger schnell finanziell zu unterstützen, unter anderem mit dem Tankrabatt, aber auch dem 9-Euro-Ticket für den gesamten ÖPNV in Deutschland. Es ist eine einmalige Sondermaßnahme angesichts der 2,5 Milliarden Euro, die durch den Bund aufgebracht werden müssen. Das 9-Euro-Ticket geht auf einen Beschluss zurück, der zunächst viele Fragen offen ließ. Zu klären waren finanzielle, organisatorische und Fragestellungen zu den konkreten Konditionen des Tickets. Unklar waren hier beispielsweise die Geltungsdauer und das Gebiet, auf dem dieses Ticket jeweils gelten soll. Auch musste noch die Frage beantwortet werden, ob auch die Bestandskundinnen und -kunden eine Ermäßigung erhalten. Die für den ÖPNV zuständigen Länder waren in diesem Prozess ebenso wenig eingebunden wie die Branche.
Zahlreiche Entscheidungen – wenngleich noch nicht alle – zur genauen Ausgestaltung sind zwischen Bund, Ländern und Branche inzwischen besprochen worden. Der Gesetzgebungsprozess für die Änderung des Regionalisierungsgesetzes – und damit die Grundlage für die zwingende Bereitstellung von Liquidität zum Start des 9-Euro-Tickets am 1. Juni 2022 – steht aus. Hier ist eine Befassung des Kabinetts und des Bundestages vorgesehen und der Bundesrat muss am 20. Mai zustimmen, damit es am 1. Juni losgehen kann. Es ist ein beispielloser Prozess – und in Bezug auf die Auswirkungen ein großes Experiment. Mit dem Deutschland Abo-Upgrade hatte die Branche im letzten Jahr hervorragende Erfahrungen gemacht. Doch nun ist der Berechtigtenkreis ungleich größer, der Zeitraum länger. 
Neben der schnellen Schaffung der Rahmenbedingungen ist es entscheidend, dass deutschlandweit bei allen Verkehrsunternehmen und -verbünden mit einheitlichen Prämissen in die Kundeninformation, in das Marketing und schließlich in den Verkauf gegangen wird. Nach der anfänglichen Verwirrung zu allen relevanten Fragen gibt es nun einheitliche Eckpunkte: Das „9-Euro-Ticket“ ist als Begriff gesetzt und wird mit den Zusätzen „Treuebonus“ (Bestandskunden wie Abonnentinnen und Abonnenten) bzw. „Schnupper-Ticket“ auch im Abo (für Neukundinnen und Neukunden) ergänzt. Es gilt als persönlicher Fahrschein bundesweit im ÖPNV. Für Bestandsabos ändert sich im vertraglich abgeschlossenen Bediengebiet nichts und die Kundinnen und Kunden müssen sich auch nicht aktiv darum kümmern. Die Verkehrsunternehmen, -verbünde und VDV arbeiten an einer deutschlandweiten Informationskampagne: Auf besserweiter.de wird es ab Mai als ergänzende Informationen geben, mit Möglichkeiten, das nächste Verkehrsunternehmen vor Ort oder den Verkehrsverbund zu finden. Angesichts der bevorstehenden Berichterstattung von überfüllten Zügen beispielsweise auf ausgewählten Tourismusstrecken hat der VDV frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Branche keine nennenswerten Betriebsreserven hat. Es bleibt die Verpflichtung, das 9-Euro-Ticket zu einem Erfolg zu machen – und mit dem gewonnenen Schwung die neuen Kundinnen und Kunden zu halten sowie danach weitere Neukundinnen und -kunden mit unseren bewährten Produkten zu gewinnen.

Quelle: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

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