Der Streit um mögliche Industriespionage bei Zügen eskaliert. Der Schweizer Zugbauer Stadler hatte in WELT AM SONNTAG bestätigt, dass er befürchtet, sein technisches Know-how könnte an den russischen Konkurrenten TMH gelangen, weil dieser mit der Wartung von Stadler-Zügen beauftragt wurde, die künftig im Allgäu auf der Strecke München–Lindau unterwegs sein sollen.
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hatte den Betrieb der Strecke ab Dezember dieses Jahres an den britischen Bahnkonzern GoAhead vergeben, der wiederum die Russen mit der Instandhaltung beauftragen will. TMH baut dafür bereits in Langweid bei Augsburg ein Wartungsdepot.
Doch weil Gespräche über Stadlers Befürchtung bislang ergebnislos verliefen, droht GoAhead nun damit, ohne die beim Schweizer Hersteller bestellten Züge zu starten. „Wir bedauern sehr, dass es nicht möglich war, mit den Vertretern der Firma Stadler eine Einigung zu erzielen“, teilt GoAhead-Deutschlandchef Patrick Verwer mit.
Man werde daher wohl ohne die Stadler-Züge mit dem Betrieb starten, sei aber zu weiteren Gesprächen bereit. Bei GoAhead betont man, es sei völlig üblich, dass Wartungsverträge mit anderen Unternehmen als den Herstellern der Züge abgeschlossen werden, es sei deshalb „unverständlich, dass Stadler die Züge und die dazugehörigen Wartungsdokumente nicht wie vertraglich vereinbart übergeben will“, so das britische Unternehmen.
Am Ende könnte es durchaus auf eine juristische Auseinandersetzung hinauslaufen. Stadler wirft GoAhead vor, mit dem Wartungsauftrag für TMH gegen den Liefervertrag zu verstoßen. „Stadler hat den mit GoAhead bestehenden Liefervertrag dem heutigen Zeitpunkt entsprechend vollumfänglich erfüllt und Fahrzeuge produziert und bereits vorzeitig zugelassen“, teilen die Schweizer mit.
Das erwarte man auch von seinem Kunden. „Der bestehende Vertrag untersagt, die Wartungsleistungen an einen Wettbewerber von Stadler zu vergeben“, behaupten die Schweizer. TMH sei wie Stadler „in der Entwicklung, Produktion und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen tätig und somit Wettbewerber von Stadler“.
Doch ob es sich bei TMH tatsächlich um einen Konkurrenten im engen Sinn handelt, könnte durchaus zur Streitfrage werden. Zwar bauen auch die Russen fraglos Züge, doch auf dem westeuropäischen Markt sind sie bislang ausschließlich als Wartungsunternehmen aktiv.
Bei TMH kann man den Streit zwischen GoAhead und Stadler relativ gelassen beobachten, macht aber klar, dass man die Briten im Streit mit den Schweizern unterstützen will. „Als unabhängiger, international erfahrener und Europas größter Wartungsdienstleister ist TMH Germany flexibel und bei Bedarf vorbereitet, um auch die Wartung und Instandhaltung einer Ersatzflotte der GoAhead Bayern zu übernehmen“, teilt das Unternehmen mit.
„Damit stellt das Unternehmen sicher, dass GoAhead Bayern im Dezember 2021 seinen Betrieb auf dem E-Netz Allgäu problemlos aufnehmen wird.“ Wie es nun weitergeht, ist völlig offen.
Quelle: welt.de