Überlegungen der Verhandler aus Union und SPD für ein großes „Sondervermögen Infrastruktur“ stoßen auf Zustimmung bei den Wettbewerbsbahnen im Schienenpersonenverkehr. Sie fordern einen angemessenen Anteil der zusätzlichen Mittel für die Schiene. So kann geschaffen werden, was die Infrastruktur braucht: Überjährige Planungssicherheit und der Aufbau von Personal- und technischen Ressourcen.
„Gezielte und stetige Sanierung des Netzes statt überhasteter ‚Generalsanierungen‘ und wettbewerbs- sowie trassenpreisneutrale Baukostenzuschüsse statt dem Irrweg Eigenkapitalerhöhungen für die Schieneninfrastruktur – das wären entscheidende Schritte, um aus der derzeitigen Misere herauszukommen. Aber die gewaltigen zusätzlichen Summen dürfen nicht einfach in das bestehende System gekippt werden. Wir schlagen die Bildung eines übergreifenden Ministeriums für Netzinfrastrukturen vor, das Schienen-, Straßen-, Energie- und Datennetze nach ähnlichen Regeln betrachtet. Das soll hinsichtlich Planung, Bau und Bewirtschaftung gelten. Eigentümerschaft der Netze und die Dienstleistung auf ihnen müssen getrennt sein. Dass Geld in Konzernumlagen versickert, darf es nicht mehr geben.“
mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann
Am Wochenende sickerte durch, dass namhafte Wirtschaftsexperten Union und SPD empfehlen, zwei neue Sondervermögen zu schaffen: Neben einem für Verteidigung auch ein sehr großes – im Gespräch sind bis zu 500 Milliarden Euro – für Infrastruktur. Angesichts der täglich zu besichtigenden Probleme, gerade bei der Qualität der Schieneninfrastruktur, können die in mofair zusammengeschlossenen Wettbewerbsbahnen im Schienenpersonenverkehr dieser Idee viel abgewinnen.
Auf dem ersten Blick mag es paradox wirken, aber gerade die gewaltige Größenordnung des Sondervermögens kann helfen, dass die Mittel künftig effizienter eingesetzt werden. Just jetzt ist maximale Kostendisziplin und -kontrolle erforderlich. Diese erreicht man aber nicht über ein Weiter-So mit immer noch mehr Einzelfallüberprüfungen, sondern eher durch prozessuale und strukturelle Reformen:
Überjährige Planungssicherheit erreichen
Ein gewaltiges Hindernis der Infrastrukturfinanzierung in den vergangenen Jahren war das Jährlichkeitsprinzip der Haushaltsfinanzierung. Zwar gibt es mit der „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III)“ ein auf zehn Jahre befristetes Vertragswerk zwischen Bund und den Infrastrukturunternehmen der DB AG, aber dieses ist angesichts der gewaltigen Nachholbedarfe nicht ausreichend dimensioniert. Weitere Mittel sind nach wie vor der Zufälligkeit jährlicher Haushaltsbeschlüsse unterworfen. Diese Unsicherheit führt zu extrem teurer „Manufakturarbeit“ und ebenso kostenintensiven und planungsfeindlichen Repriorisierungen nach Kassenlage.
Ein Sondervermögen muss so ausgestaltet werden, dass Bahnindustrie und Bahnbauindustrie die notwendigen Kapazitäten nachhaltig aufbauen. Damit sind sowohl die Beschaffung von Großmaschinen gemeint, aber vor allem die langfristige Ausbildung und Bindung von Fachkräften für Planung, Durchführung und Abnahme komplexer Infrastrukturmaßnahmen. Das gilt sowohl für den Erhalt als auch den Ausbau des Netzes. Explizit mit eingeschlossen sind seine dringend notwendige Digitalisierung und weitere Elektrifizierung.
Sektorenübergreifendes (Netz-)Infrastrukturministerium schaffen
Dazu passen sehr gut weitergehende Überlegungen der künftigen Koalitionäre, ein neues „Superministerium für Infrastruktur“ zu bilden. Neben die Zuständigkeit für Straßen- und Gleisnetze soll jene für die Energie- und Datennetze treten: Jeweils ähnlich gelagerte Herausforderungen beim Planungs- und Genehmigungsrecht könnten hier gebündelt bearbeitet und gelöst werden. Best practices bei Beschaffung und Durchführung von Bauprojekten und der Netzbewirtschaftung können ermittelt werden. Die verschiedenen Bereiche lernen so voneinander.
Unbundling auch bei der Schieneninfrastruktur
Für die Schiene bedeutet das – wie heute schon bei der Straße und den Energie- und Datennetzen – eine strikte, auch und gerade eigentumsrechtliche, Trennung von der Netzinfrastruktur einerseits und der Dienstleistung, die darauf erbracht wird, andererseits. Die heutige DB InFrago AG soll in direktes Bundeseigentum überführt werden.
Das Unbundling bei der Schiene ist gerade jetzt entscheidend, um sicherzustellen, dass die zusätzlichen Mittel nicht dazu genutzt werden, Geld in den wettbewerblichen Teil des DB-Konzerns umzuleiten und damit bestehende Marktverzerrungen zu verstetigen. Die Mittel sind für die Infrastruktur gedacht – die sie dringend braucht – und dort, und nur dort, sollen sie ankommen.
Das Netz ist jeweils die neutrale „Benutzeroberfläche“, deren Zugang und Entgelte diskriminierungsfrei geregelt werden. Was bei der Straße und den Datenleitungen noch nie anders war und bei den Energienetzen seit fünfzehn Jahren geübte Praxis ist, muss auch für die Schiene gelten.