PBefG-Regierungsentwurf: gute Grundlage für einen Beschluss in dieser Legislatur

Stellungnahme von Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

Von nicht wenigen in der Branche wird es respektvoll als „Grundgesetz des ÖPNV“ bezeichnet: Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) hat als Ordnungsrahmen eine nicht zu überschätzende Bedeutung für die Organisation des öffentlichen Verkehres vor Ort. So erklärt sich auch die hohe Aufmerksamkeit, die die Neuerungsüberlegungen von Anfang an erfahren haben. Dass es an der Zeit war, das bewährte und über Jahrzehnte erfolgreiche Gesetz anzupassen, um die Möglichkeiten der Digitalisierung für neue Angebote besser nutzen zu können, ist unbestritten. Viele Verkehrsunternehmen bieten bereits seit Jahrzehnten Formen der bedarfsgerechten Nahverkehrsmobilität beispielsweise als Anruf-Sammeltaxi oder Rufbus an und erproben auch neue Angebotsformen. Doch um eine ausreichende verkehrliche Steuerung im Sinne der Mobilitätswende und einen passgenauen, rechtssicheren Rahmen zu schaffen, war eine Novelle an der Zeit.

Branche begrüßt PBefG-Regierungsentwurf

Ein Meilenstein auf dem Weg zur Erarbeitung notwendiger Neuerungen waren die von der eingesetzten PBefG-Findungskommission im Juni 2020 formulierten Eckpunkte, die von der Branche in den meisten Punkten begrüßt wurden. Nachdem zu Beginn der Legislaturperiode noch eine weitgehende Liberalisierung des PBefG in der Diskussion war, stellen die Eckpunkte und der darauf basierende Regierungsentwurf im Kern eine angemessene Umsetzung und Öffnung für gebündelte Verkehre und eine grundsätzlich passende Regulierung dieser neuen Verkehrsarten dar. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Stärkung der kommunalen Aufgabenträger mit Blick auf wirksame Steuerungsmöglichkeiten bei deren Zulassung. Angesichts der anfangs von interessierter Seite in die Diskussion hineingetragenen, zum Teil weniger gemeinwohlorientierten Forderungen – beispielsweise in Bezug auf den Mietwagenmarkt – lässt sich bei der Lektüre des vorliegenden Regierungsentwurfes zwischenzeitlich feststellen: Der Text geht von den inhaltlichen Schwerpunkten her in die richtige Richtung. Es gibt jedoch auch wichtigen Nachbesserungsbedarf, den der VDV als Branchenverband in Stellungnahmen gegenüber dem Bund und den Ländern zum Ausdruck gebracht hat.

Schwerpunkt des Entwurfs: Verkehr auf Bestellung

Der Entwurf adressiert nicht Fragen der Marktordnung des klassischen Busverkehrs im Spannungsfeld zwischen Direktvergaben und eigenwirtschaftlichen Verkehren. Wesentliche Punkte waren schon durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das einen Anspruch auf Finanzausgleich durch allgemeine Vorschriften im Herbst 2019 abgelehnt hatte, geklärt. Über die weiteren Fragen konnte – auch aufgrund widersprüchlicher Aussagen im Koalitionsvertrag innerhalb der Regierungsfraktionen, aber auch zwischen Bund und Ländern – kein Konsens gefunden werden. Um noch zu einer neuen Regulierung der Pooling-Verkehre zu kommen, wurden dieser Fragen daher ausgeklammert.

Verkehrsunternehmen sehen Nachholbedarf bei gebündeltem Bedarfsverkehr

Der Gesetzentwurf unterscheidet bei den gebündelten Verkehren – im Grundsatz begrüßenswert – zwischen dem als Linienverkehr geltenden ÖPNV-integrierten Linienbedarfsverkehr und dem gebündelten Bedarfsverkehr, der außerhalb des ÖPNV dem Gelegenheitsverkehr zugeordnet ist. Während bei ersterem nur wenige Anpassungen im Entwurf erforderlich sein dürften, besteht bei letzterem weiterer Änderungsbedarf sowohl bei den Genehmigungsvoraussetzungen als auch bei der Ausgestaltung.

Mietwagenregelung lückenhaft

Darüber hinaus muss durch Änderungen bei den Regelungen zum Mietwagen dafür gesorgt werden, dass es hier nicht in der Praxis zu einer Umgehung der vorgesehenen Systematik zu den beiden Arten des gebündelten Verkehrs kommt. Kern ist weiterhin, wie im Text vorgesehen, die Rückkehrpflicht des Mietwagens. Diese muss beibehalten werden und eventuelle Regelungen zu alternativen Stellplätzen für Mietwagen dürfen nicht im Ergebnis zu einer Aufweichung führen. Der VDV hat in seiner Stellungnahme auf die Problematik der Umgehungsgefahr deutlich hingewiesen und fordert neben der Beibehaltung der Rückkehrpflicht weitere optionale Regelungsmöglichkeiten der Kommunen, um Lücken im Gesetz und in der Praxis zu schließen.

Bereitstellung von Daten: bislang noch wenig tragfähig

Der Regierungsentwurf geht im Bereich der Bereitstellung von dynamischen Mobilitätsdaten weit über das – in dieser Hinsicht schon nicht überzeugende – Eckpunktepapier hinaus. Der Entwurf übersieht dabei unter anderem, dass, im Gegensatz zu Soll-Fahrplandaten, Echtzeit-Daten bei vielen ÖPNV-Unternehmen nicht vorliegen. Daher ist es zentral, dass im PBefG keine Regelung geschaffen werden darf, die auf eine Verpflichtung zur Generierung solcher Daten hinausläuft. Denn es ist nicht geklärt, wie die Unternehmen den zeitlichen und vor allem finanziellen Zusatzaufwand schultern sollen und ob Nutzen und Aufwand in einem angemessenen Verhältnis stünden.

Keine neue Regulierung ohne wirksame Kontrolle

Ein anderer Mangel ist die fehlende wirksame Datenkontrolle in der neuen Regulierung: Die PBefG-Novelle beabsichtigt, die einzelnen (neuen) Verkehrsformen und Mobilitätsanbieter wirksam abzugrenzen. Dafür müssen Aufgabenträger und Genehmigungsbehörden jedoch umfassenden Zugang zu den Daten haben, die sie für ihre gesetzlichen Aufgaben benötigen. Eine Datenbereitstellung für behördliche Aufsichtszwecke bedarf daher einer effektiven Regelung im Gesetzestext. Eine mittelbare Bereitstellung über den Nationalen Zugangspunkt ist hier nicht hinreichend. Am Ende gilt immer: Was gesetzlich geregelt wurde, muss durch die zuständigen Behörden auch wirksam überwacht werden können!

Datensouveränität & Open-Service statt Open-Data

Überhaupt stellen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs bereits heute statistische Daten bereit. Mit Blick auf die Arbeiten bei der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität oder dem Datenraum Mobilität drohen hier jedoch unnötige Mehrfachregulierungen und inhaltliche Verwerfungen. Auch im PBefG muss der in diesen Initiativen niedergelegte Grundsatz der Datensouveränität gelten. Der VDV signalisierte hier frühzeitig, dass er eine Regulierung für Kontrollzwecke und für die Verkehrssteuerung innerhalb des PBefG für sachgerecht hält und plädiert – auch aus wettbewerblichen Gründen – für den naheliegenden Weg der Weitergabe dynamischer Daten an öffentliche Stellen, statt an diverse Datenpunkte. Für die Weitergabe von Daten an Dritte muss ergänzend das Prinzip des Open-Service gelten. Denn eine kostenfreie und unkontrollierte Bereitstellung von Daten verkennt die Notwendigkeit der Qualitätssicherung im Rahmen der Kundenkommunikation und den Wert dieser Daten.

Fazit: Eile geboten für Verabschiedung vor Bundestagswahl

Der Regierungsentwurf ist ein deutlicher Schritt nach vorn. Bei der Mietwagenregelung und der Bereitstellung von Daten muss jedoch aus Sicht der Branche nachgearbeitet werden. Das Bundeskabinett leitete den Regierungsentwurf um den Jahreswechsel dem Bundesrat zu. Für dessen Befassung und die anschließende Beratung im Bundestag steht bis zur Sommerpause und den im Herbst anstehenden Bundestagswahlen nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung. Die politischen Entscheidungsträger sind gefordert, intensiv zu beraten, um das Gesetz in dieser Legislatur zu verabschieden.

Quelle: VDV

Weitere Statements zum Entwurf eines neuen Personenbeförderungsgesetzes lesen Sie in der Ausgabe 1-2/2021 der Nahverkehrs-praxis!

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