Interview mit Carmen Maria Parrino, Geschäftsführerin
DB Vertrieb
Nahverkehrs-praxis: Die DB Vertrieb GmbH entstand 2005 als hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn und verantwortet den Vertrieb und Fahrkartenverkauf sowohl im Nah- wie im Fernverkehr, aber auch für verschiedene Verkehrsverbünde. Welche Aufgaben umfasst das?
Parrino: In erster Linie natürlich den schon genannten Fahrkartenverkauf. Der Nahverkehr funktioniert über Bestellungen, respektive das Ausschreibungsmanagement. Das bedeutet, Aufgabenträger, also die Länder, schreiben aus, was sie an Vertriebsleistungen benötigen – welchen Fahrkartenautomaten, welches Reisezentrum, an welchem Standort, mit welcher Ausstattung. Die Ausschreibung wird veröffentlicht, wir kalkulieren und bieten die entsprechenden Leistungen an und hoffen natürlich, dass wir die Ausschreibung dann auch gewinnen. Ist das der Fall, sind wir Betreiberin über die entsprechende Laufzeit, die meistens bei zehn Jahren oder mehr liegt.
Zudem stehen wir mit den Verkehrsverbünden in sehr engem Kontakt, da wir auch die Tickets der Verbundtarife über den DB Navigator verkaufen. Und es gibt die Agenturen. Das sind Partner, die einen Vertrag mit uns haben und Tickets am Bahnhof verkaufen. Agenturen sind im Regelfall aber eher nicht nur reine Fahrkartenverkäufer, sondern besitzen noch ein Nebengeschäft, z.B. Zeitungs- und Bücherverkauf. Außerdem gibt es den Automaten in unterschiedlichen Varianten. Es gibt den klassischen Automaten und das Video-Reisezentrum, wo man auf Knopfdruck mit einem Reiseberatenden verbunden wird. Darüber hinaus gibt es noch das Kontrollgerät „DB Mosaik“, mit dem Fahrkarten in Bussen und Zügen geprüft und bei Bedarf auch verkauft werden können.
Nahverkehrs-praxis: Das Deutschland-Ticket ist seit Mai bundesweit im Nahverkehr nutzbar. Inwieweit war DB Vertrieb an der Umsetzung beteiligt?
Parrino: Das Deutschland-Ticket ist aus dem 9-Euro-Ticket entstanden. Angelegt war das 9-Euro-Ticket auf drei Monate und danach war klar, dass es ein Nachfolgeprodukt geben würde. Sämtliche Partner der Branche waren involviert, auch die Deutsche Bahn. Aus DB Vertrieb-Sicht waren folgende Fragen entscheidend: Was können wir umsetzen und wie schnell können wir unsere Vertriebsinfrastruktur darauf vorbereiten? Denn das Deutschland-Ticket gibt es nur im Abonnement und der Abo-Vertrieb, einer unserer Vertriebskanäle, musste sich auf die Anforderungen vorbereiten. Beim Thema Tarifentwicklung waren die Kollegen von DB Regio sehr stark involviert, denn Tarife und damit das Thema Einnahmen betrifft das Eisenbahnverkehrsunternehmen. Wir hingegen sind Vertriebsdienstleister und stellen die Vertriebsinfrastruktur zur Verfügung.
Nahverkehrs-praxis: Welche Hürden gab es dabei zu überwinden?
Parrino: Die größte Hürde stellten die 64 Verbünde dar, die es in Deutschland gibt. Inklusive Deutschlandtarifverbund sind es sogar 65. Zudem gibt es 16 Bundesländer und den Bund als Beteiligte. Es wirkten also sehr viele Akteure mit, die eigene Vorstellungen davon hatten, wie das Ticket eingeführt werden sollte, mit welchen Merkmalen und mit welcher Finanzierung. Es gab zudem bereits bestehende Strukturen. Viele Menschen hatten bereits ein Abo-Ticket, das umgestellt werden musste. Wie setzt man das um?
Die größte Herausforderung im Nachhinein betrachtet ist, dass das Produkt Deutschland-Ticket aus Kundensicht nicht immer intuitiv verstanden wird. Neben Schwierigkeiten im Umgang mit einem rein digitalen Produkt gibt es Missverständnisse in Bezug auf das Deutschland-Ticket als reines Abo-Produkt.
Es sollte ein einheitliches Ticket werden, für alle Verbünde gleichermaßen ausgestattet. Das ist nicht überall zu hundert Prozent gelungen. So war beispielsweise die Mitnahmeregelung ein Thema. Wenn das bisherige Ticket eine Mitnahmeregelung hatte, z.B. für Hunde, das Deutschland-Ticket aber per se keine Mitnahmeregelung vorsieht, brauchte es im betroffenen Verbund eine Sonderregelung. Hier wäre eine inhaltliche Weiterentwicklung des Deutschland-Tickets zukünftig wünschenswert.
Nahverkehrs-praxis: Ist das Deutschland-Ticket aus Ihrer Sicht ein voller Erfolg, wie der Bundesverkehrsminister sagt?
Parrino: Im Nachgang kann man immer sagen, dass man es hätte besser machen können aber Hauptsache, man macht es! Denn zu viel Theorie und Diskussion macht es nicht besser. Man muss die Dinge manchmal einfach machen und sich während des Prozesses darüber im Klaren sein, dass dies nicht das Ende der Entwicklung ist, dass nicht schon am Anfang alles perfekt sein kann.
Das komplette Interview lesen Sie in der Nahverkehrs-praxis 9/10-2023.