Verkehr muss sauberer werden, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen möchte. Züge fahren heute dank Oberleitung elektrisch bereits emissionsfrei. Komplementär können alternative Antriebskonzepte auch ganz ohne Fahrdraht den Schienenverkehr rasch noch weiter dekarbonisieren. Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. fordert deshalb einen dualen Ansatz: Die klimapolitisch hochwirksame Streckenelektrifizierung weiter vorantreiben und parallel innovative Antriebe fördern. In einem gemeinsamen Leitfaden skizzieren der VDB, die Technische Universität Berlin und die Technische Universität Dresden jetzt eine Strategie für den Einsatz von batterieelektrischen Triebzügen und Ladeinfrastruktur im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). „Eine vollständige Elektrifizierung des deutschen Streckennetzes ist nicht überall realistisch – und für emissionsfreie Mobilität auf der Schiene nicht überall notwendig. Elektrischer Betrieb ist durch den Einsatz alternativer Antriebe auch ohne durchgehende Streckenelektrifizierung möglich,“ sagt VDB-Geschäftsführer Axel Schuppe.
Die avisierte Steigerung der Schienenelektrifizierung von heute knapp über 60 Prozent auf 70 Prozent bis 2025 reicht nicht aus, um den SPNV künftig emissionsfrei zu betreiben. Ein wesentlicher Teil der Zugkilometer müsste weiterhin mit fossilen Brennstoffen erbracht werden. Diese Elektrifizierungslücken können unter anderem durch den Einsatz innovativer Antriebs- und Speichertechnik sowie der Nutzung des vorhandenen Oberleitungsnetzes als Ladeinfrastruktur überbrückt werden. „Die Bahnindustrie in Deutschland hat heute bereits ein breites Spektrum an umweltfreundlichen Technologien wie saubere Verbrennungsmotoren, Wasserstoff-, Hybrid- oder Batterieantriebe im Portfolio. Batterieelektrische Triebzüge stellen für den Schienenpersonennahverkehr eine der möglichen Lösungen für nicht-elektrifizierte Strecken dar“, so Schuppe.
Wo heute oftmals Züge auf bereits elektrifizierten Schienenstrecken mit fossilen Brennstoffen im Einsatz sind, kann durch Nutzung von Batterietechnologie in Zukunft durchgängig elektrisch gefahren werden, denn rund 80 Prozent dieser Strecken haben bereits Zugang zum elektrischen Netz. Würde man die Endpunkte der derzeit oberleitungslosen Nahverkehrslinien mit einer Ladestation ausstatten, so ließe sich bereits ein erheblicher Teil der Strecken, darunter auch viele grenzüberschreitende Verbindungen, auf vollelektrischen, gänzlich emissionsfreien Betrieb umstellen. Zahlreiche Linien im Regionalverkehr könnten so ohne zusätzliche Infrastruktur batterieelektrisch betrieben werden. „Batterieelektrische Züge im Personennahverkehr bieten ein sehr großes Einsatzpotenzial und nutzen die vorhandenen elektrifizierten Strecken optimal, indem sie den emissionsfreien Betrieb in die Regionen erweitern“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht, Fachgebietsleiter Schienenfahrzeuge an der TU-Berlin.
Die entsprechende Technologie „Made in Germany“ bilde die Bahnindustrie in Deutschland in ihrem Portfolio bereits ab, auch die Nachladeeinrichtungen sei in Technologie und Lösungen heute verfügbar. Mit adäquaten Investitionsmitteln, den richtigen raschen Verfahren und angemessenem zeitlichen Vorlauf stelle die Planung und Errichtung der Ladeinfrastruktur kein Hindernis dar. Analog zu anderen Infrastrukturmaßnahmen würden die dafür etablierten Einrichtungen mit Unterstützung und Beteiligung der Bahnindustrie die rechtzeitige Planung und Umsetzung realisieren können.
Um den Migrationsprozess zu unterstützen, müsse ein Anreizmodell für die Umstellung auf batterieelektrische Fahrzeuge geschaffen werden. Die Ausstattung mit zweckgebundenen finanziellen Mitteln sei dabei ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Ergänzend zur Bundesförderinitiative für die Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken müsse ein separater Fördertopf vorgesehen werden, mit dem ca. 120 bis 150 Infrastrukturmaßnahmen über einen Zeitraum von circa zehn Jahren gefördert würden. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur stelle dieses Jahr mit dem „ElektrifizierungsprogrammPlus“, einer Förderung alternativer Antriebe im Schienenverkehr in Höhe von 227 Millionen Euro, bereits wichtige Weichen.
„Die elektrische Bahn ist heute bereits das umweltfreundlichste Verkehrsmittel der Welt. Durch alternative Antriebstechniken wie dem batterieelektrischen Triebzug gelingt es, diesem Anspruch auch auf bisherigen Dieselstrecken gerecht zu werden und die Umweltbilanz des Verkehrsträgers Schiene weiter zu verbessern“, sagte Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan, Lehrstuhlinhaber für Elektrische Bahnen an der TU Dresden.
Quelle: Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V.