Kommentar zum Koalitionsvertrag von Thorsten Wagner, Chefreporter Bus und Verkehrspolitik der NahverkehrsPraxis
Es ist vollbracht! Deutschland hat eine neue Regierung, auch wenn diese noch keinen schmissigen „Handelsnamen“ hat wie die Vorgänger-Ampel-Regierung. Aber das braucht es ja auch nicht unbedingt, zumal wenn dieser „Markenclaim“ sehr schnell negativ konnotiert werden kann – siehe eben: Die Ampel! Der Spiegel schlägt heute den Begriff „SchroKo“ für „schwarz-rote Koalition“ vor. Eingängig ist das, wenn auch nicht gerade wohlklingend und vertrauenerweckend!
Verkehrs- und Klimapolitik
In Sachen Verkehrs- und Klimapolitik ist das Echo der Branche entlang der üblichen Fronten gespalten: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sieht laut seiner ersten Stellungnahme „gute verkehrspolitische Ansätze“ im Koalitionsvertrag von Union und SPD – und appelliert gleichzeitig für eine „schnelle Umsetzung“. VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Unsere Forderung an eine neue Bundesregierung war es, der Mobilität in Deutschland endlich wieder eine klare Richtung zu geben. […] Der nun vorliegende Koalitionsvertrag von Union und SPD zeigt viele richtige und notwendige Ansätze.“ Dazu zählt er Punkte auf wie „mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastrukturen“, „eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel“ und die „Wiederaufnahme der Förderung für klimafreundliche Elektrobusse“, die ja zuletzt sehr zum Missfallen der Branche unerwartet eingestellt wurde. Im 144-seitigen Koalitionsvertrag liest sich das so: „Wir fördern die Flottenumrüstung auf klimaneutrale Busse im ÖPNV“, was man durchaus etwas breiter interpretieren kann als nur mit Elektrobussen – immerhin hat die CDU den Ansatz der Technologieoffenheit von der FDP übernommen, auch wenn sie damit in Sachen Wiederbelebung der Atomkraft bei der SPD vor die Wand gelaufen ist.
Nicht zuletzt die „Finanzierungszusage für den Fortbestand des Deutschlandtickets mindestens bis 2029“ zeige für den VDV, dass die kommende Bundesregierung den Bedarf und die Notwendigkeiten unserer Branche erkannt hat und angehen will.“ Immerhin darf man davon ausgehen, dass nun das Projekt Deutschlandticket, der Negativ-Dauerbrenner der Ampel, endlich zu einem guten Ende kommt – man konnte es zuletzt eigentlich nicht mehr hören. Spannend die Aussage zur Finanzierung des ÖPNV im Vertrag: „Es gilt ein Drei-Säulen-Modell aus Haushaltsmitteln, Nutzerfinanzierung und privatem Kapital, zum Beispiel über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) in begrenztem Umfang.“
Auch dies eine lange Forderung, wenn nicht des VDV, so doch anderer Player und Experten im Mobilitätsgeschäft – hier darf man auf die Umsetzung gespannt sein. Immerhin gehört das Verkehrsministerium wohl nicht zu den Trophäen der CSU. Man hört ein beredtes Aufatmen landauf, landab.
Nicht unerwartet fasst der Verkehrs-Club Deutschland (VCD) die eher linke Kritik in seinem Statement so zusammen: „In der Verkehrs- und Klimapolitik waren von schwarz-rot keine großen Sprünge zu erwarten. Was jetzt kommt, ist in vielen Aspekten das Gegenteil, nämlich Rückschritte: Klimaschädliche Subventionen bleiben oder werden sogar erhöht, ein Tempolimit wird nicht eingeführt – trotz klarer Vorteile für Sicherheit und Klima und einer Mehrheit in der Bevölkerung. Die gerade erst angehobene Luftverkehrsteuer wird gesenkt und die Pendlerpauschale erhöht. Deutschland soll Autoland bleiben. Kein guter Tag für Verkehrswende und Umweltschutz.“ Trotz alledem ist es ein doch ein guter Tag für Deutschland: Wir haben eine neue Regierung in turbulenten Zeiten, in denen von Rechtaußen ein scharfer Wind weht. Möge sie sich als belastbarer erweisen als ihre Vorgängerin.