Erste Stellungnahmen Dieselfahrverbotsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes:
Jürgen Fenske, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)
: „Nach den wegweisenden Festlegungen im Koalitionsvertrag und der Diskussion um den steuerfinanzierten „kostenlosen“ ÖPNV zeigt auch das aktuelle Urteil zu den Fahrverboten deutlich: Alle Akteure haben die Schlüsselrolle der öffentlichen Verkehrsunternehmen für Klimaschutz und Luftreinhaltung in den Städten erkannt und zum Thema gemacht. Wir müssen jetzt schnell die richtigen Maßnahmen für eine Verkehrswende und gegen Fahrverbote umsetzen. Die notwendigen Schritte dafür haben wir der Bundesregierung kürzlich in einem Sofortprogramm vorgeschlagen. Für Luftreinhaltung und Klimaschutz müssen die Systeme des ÖPNV umfangreich erneuert und ausgebaut werden. Das bedeutet, es geht zunächst um den Kapazitätsausbau: Strecken, Haltestellen, Technik, Fahrzeuge, Personal. Das funktioniert nur mit Hilfe einer ausreichenden öffentlichen Finanzierung. Ein gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem kostet viel Geld, aber es ist wertvoll für alle – denn schließlich geht es um den Klimaschutz und um die Gesundheit der Menschen in den Städten.“
Allianz pro Schiene:
„Mit dem Grundsatzurteil zu Dieselfahrverboten in deutschen Städten haben die Leipziger Richter klargestellt, dass die Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr kein Schicksal ist, das wir einfach erdulden müssen. Mobilität ist ein hohes Gut. Aber die Gesundheit wiegt schwerer. Das könnte das Fukushima für die Verkehrswende bedeuten.“ „Fahrverbote sind niemals das bevorzugte Mittel einer bürgernahen Politik, sondern eine Notbremse. Umso dringender ist es deshalb, den Pendlern in Ballungsräumen einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr anzubieten. Den erreicht man allerdings nicht mit Gratis-Ticketversprechungen.“ „Mit der gerichtlichen Erlaubnis für Fahrverbote kassiert der Bund die Rechnung für seine dilettantische Verkehrspolitik: Verpasste Klimaziele, eine drohende EU-Klage wegen schlechter Luft, die Wut der Autofahrer über das Versteckspiel, wer die Kosten für die Nachrüstung ihrer Wagen übernimmt, das eilige Stricken an Mini-Fahrverboten: Diese Kakophonie wird uns über den heutigen Tag hinaus begleiten.“ ”
„Die neue Regierung wäre gut beraten, ein bahnpolitisches Maßnahmen-Bündel zu schnüren, das den Bürgern und der EU zeigt: Die Botschaft ist angekommen. Deutschland braucht mehr öffentlichen Verkehr und mehr Eisenbahn. Dafür müssen die Trassenpreise sinken, im Güter- aber auch im Personenverkehr. Und der Deutschland-Takt sollte schnell Gestalt annehmen. Denn eigentlich wissen wir das alle schon längst: Es gibt eine Mobilität nach dem Diesel.“
Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft:
"Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, Dieselfahrverbote in Städten rechtlich zuzulassen, gefährdet die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Mittelstand darf weder die Versäumnisse der Politik noch die Manipulationen von Autoherstellern ausbaden. Fahrverbote kommen einer Enteignung von Betriebsvermögen gleich. Deshalb muss dem faktischen Berufsverbot für kleine und mittlere Unternehmen in Städten jetzt entschlossen entgegengewirkt werden.
Wir brauchen dafür nicht noch einen Gipfel, sondern die schnelle Umsetzung von effektiven Maßnahmen. Die Politik muss endlich aktiv werden. Die bereits im vergangenen Jahr beschlossenen Maßnahmen haben sich bis jetzt als Mogelpackung erwiesen. Weder wurden die Software-Updates bis heute umgesetzt, noch stehen die Mittel des Mobilitätsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro zur Verfügung.
Jetzt ist es an den Autokonzernen, bei den betroffenen Fahrzeugen ohne Wenn und Aber auf eigene Kosten die Hardware nachzurüsten. Die anfallenden Kosten dürfen unter keinen Umständen auf die Verbraucher und Steuerzahler, darunter viele kleine und mittlere Unternehmen, abgewälzt werden. Eine steuerliche Förderung von Hardware-Nachrüstungen lehnt der Mittelstand deshalb entschieden ab."
Deutscher Naturschutzring:
„Dieses historische Urteil ist ein Gewinn für die Gesundheit der Bürger. Jedes Jahr sterben rund 10.000 Menschen in Deutschland und Europa an den zu hohen Feinstaub- und Stickoxidbelastungen aus dem Diesel. 5.000 davon könnten verhindert werden, wenn die Autolobby nicht Bürgerinnen und Verbraucher betrogen hätte. Die Gerichte zwingen nun den Gesetzgeber zu handeln. Die Stickoxidproblematik ist dabei nur ein Symptom für eine fehlgeleitete Verkehrspolitik, die die Menschen über umweltschädliche Subventionen und den gezielten Ausbau des Straßennetzes bei gleichzeitiger Vernachlässigung der öffentlichen Infrastruktur in immer stärker motorisierte Autos treibt. Es wird höchste Zeit für eine Politik, die die Menschen schützt und nicht die Dieselindustrie. Hierzu gehört ein starker und kostengünstiger, emissionsfreier ÖPNV, welcher der Gesundheit der Bevölkerung zu Gute kommt und das Grundrecht auf Mobilität sozial gerecht und ökologisch verträglich einlösen kann. Daneben ist die Einführung einer Blauen Plakette und die verpflichtende Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen mit hohen Abgaswerten auf Kosten der Autohersteller nun überfällig.
Der Deutsche Naturschutzring dankt seinem Mitgliedsverband Deutsche Umwelthilfe (DUH), der eine für die Gesundheit der Menschen lebenswichtige Debatte angestoßen und mit viel Nachdruck gegen alle Widerstände verfolgt hat.“
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena):
„Die Zukunft des Verkehrs bedarf einer umwelt- und klimapolitischen Neuausrichtung, die die langfristigen Ziele wieder ins Blickfeld rückt. Wenn das Bundesverwaltungsgericht bemüht werden muss, europäische Vorgaben durchzusetzen, ist das eine eindrucksvolle Mahnung an alle Beteiligten. Der Sachverhalt ist lange bekannt: Die Emissionen im Verkehr müssen deutlich sinken, bei Stickoxiden und Feinstaub genauso wie beim Kohlendioxid. An technischen Lösungsansätzen und politischen Handlungsempfehlungen hat es bislang nicht gefehlt.
Die Zukunft der Mobilität muss vielfältiger werden und sie gehört den alternativen Antrieben. Dazu zählen neben der Elektromobilität auch Erdgas- und Wasserstofffahrzeuge. Sie verursachen deutlich weniger Emissionen und machen es möglich, erneuerbare Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse in den Motor zu bekommen. Bei Neuzulassungen erreichen alternative Antriebe bisher aber nur einen Marktanteil von 3,4 Prozent. Auch der Ausbau der dazugehörigen Infrastrukturen muss beschleunigt werden.
Wenn wir alternative Antriebe in den Markt bringen wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen neu gestalten. Bei Steuern, Abgaben und Förderprogrammen sollten die Emissionen zum entscheidenden Kriterium werden – zum Beispiel bei der Besteuerung von Kraftstoffen und Dienstwagen. Das wäre eine wichtige Ergänzung zur weiterhin erforderlichen Effizienzsteigerung der Fahrzeugflotten und würde für Verbraucher und Wirtschaft Planungssicherheit schaffen. Der Weg wäre frei für den Wettbewerb um die günstigsten und effizientesten Lösungen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Insbesondere die wachsenden Bedürfnisse der Konsumenten, schnellstmöglich beliefert zu werden („same day delivery“), und die gegenwärtige Ausrichtung der Logistikbranche („just in time“) führen zu einem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen. Bescheidene Erfolge in der Steigerung der Energieeffizienz und der Emissionsreduktion werden so schnell wieder zunichte gemacht. Eine reine Konzentration auf die Elektrifizierung des Straßenverkehrs wird nicht ausreichen.
Durch das aktuelle Gerichtsverfahren hat sich die Diskussion auf kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Reduzierung von Stickoxidemissionen konzentriert. Es wird nicht leicht sein, hier breit akzeptierte Lösungen zu finden. Fahrverbote schränken die Verbraucher ein, Umrüstungen sind kostspielig, öffentliche Verkehrsmittel müssten für einen größeren Andrang erheblich ausgebaut werden.
So wichtig die aktuelle Debatte ist, sollten wir die langfristige und größere Herausforderung nicht aus den Augen verlieren: die Einhaltung der Klimaschutzziele in allen Sektoren. 40 bis 42 Prozent weniger CO2-Emissionen im Verkehr bis zum Jahr 2030 sind ein überaus ambitioniertes Ziel. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir die Weichen jetzt stellen, in einem breiten Dialog mit allen relevanten Akteuren. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag dafür eine Verkehrskommission vorgesehen, die bis Anfang 2019 zu Ergebnissen kommen soll. Hoffen wir, dass es damit gelingt, die politische Initiative für Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr zu ergreifen. Die dena wird als Vermittler zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihren Beitrag dazu leisten.“
Der
Präsident des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), Karl Hülsmann
, hat zum aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig Stellung bezogen und auf die Bedeutung des Busverkehrs für die Reduzierung von Emissionen verwiesen. bdo-Präsident Hülsmann sagte zum Urteil und der Rolle des Busverkehrs in Deutschland: „Busse tragen als öffentliches Verkehrsmittel entscheidend dazu bei, die Zahl der Pkw – und damit auch die Menge der Abgase – in den Innenstädten zu reduzieren. Lediglich 4 Prozent der Stickoxid-Emissionen sind auf Busse zurückzuführen. Busse sind daher mit Blick auf die Abgasbelastung durch den Verkehrssektor eben gerade nicht Teil des Problems, sondern ausdrücklich Teil der Lösung. Wir appellieren heute an Entscheidungsträger, die wichtige Rolle des öffentlichen Verkehrs mit Bussen anzuerkennen und sie von etwaigen Fahrverboten auszunehmen. Wir brauchen jetzt eine Stärkung des Busverkehrs. Insbesondere ein Ausbau der Angebote für Pendler im weiteren Umfeld von Städten ist wichtig, da mit diesen Berufstätige in die Lage versetzt werden, nicht mehr mit ihrem Privatwagen ins Zentrum fahren zu müssen. Das wäre ein großer Fortschritt für die Stadtluft – und damit auch gut für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.“
Das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten in Städten kommentiert
Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas
: „Dass jetzt das Bundesverwaltungsgericht über Diesel-Fahrverbote entscheiden musste, ist das letzte Glied einer langen Kette aus Politikversagen und Fehlanreizen. Es gibt sehr gute Alternativen zum Diesel – die man zu lange ignoriert hat. Mit Erdgas im Tank wäre das nicht passiert.“
Eine der vielversprechendsten Alternativen zu Diesel ist Erdgas. „Mit Erdgas als Kraftstoff haben wir eine schadstoffarme, sofort einsetzbare Antriebs-Alternative. Erdgasfahrzeuge emittieren im Vergleich zu Dieselautos mit den neuesten Abgasnormen 23 Prozent weniger CO2, 50 Prozent weniger Staub und nahezu keine Stickoxide. Und unabhängige Untersuchungen haben wiederholt belegt: Dieser Vorteil besteht nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Straße“, erläutert Kehler.
Mit Blick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestehe nun ein klarer Handlungsauftrag. Kehler: „Jetzt muss die Politik Schadensbegrenzung betreiben. Eine blaue Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge – also auch für alle Erdgasfahrzeuge – ist da nur ein Weg. Ein weiterer wäre es, Kaufanreize nicht nur für Elektrofahrzeuge, sondern auch für Erdgasautos zu setzen. Denn Erdgas ist die beste Lösung gerade für Nutzfahrzeuge und reichweitenstarke Modelle, also genau die Fahrzeuge, die heute mit Diesel betrieben werden. Jahrelang hat die Politik den Diesel künstlich billig gemacht. Jetzt muss sie den Menschen Brücken bauen, um den Umstieg in saubere Mobilität zu schaffen.“
Zuletzt war die Nachfrage nach Diesel-Autos eingebrochen, die Nachfrage nach Erdgasfahrzeugen hingegen steigt weiter deutlich an. Laut Statistik des Kraftfahrtbundesamts lag die Zahl der neu zugelassenen Erdgasautos im vierten Quartal 2017 doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Dieser Wachstumstrend setzt sich im ersten Quartal 2018 fort. In Deutschland gibt es rund 900 Erdgastankstellen und etwa 100.000 Fahrzeuge, die den klima- und umweltschonenden Kraftstoff nutzen.
Stephan Kühn MdB, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Sprecher für Verkehrspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
: „Das Bundesverwaltungsgericht hat heute für das Recht auf saubere Luft und damit pro Gesundheitsschutz für die Bürgerinnen und Bürger geurteilt. Verantwortlich für die künftigen Fahrverbote sind die Autohersteller, die Diesel-Pkw mit überhöhten Abgaswerten produziert haben, und eine Bundesregierung, die die Grenzwerte für Luftschadstoffe seit Jahren ignoriert.
Bei der Umsetzung der Fahrverbote droht ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sodass die Bundesregierung jetzt mit einer blauen Plakette bundesweit einheitliche Vorgaben schaffen muss. Um das Problem schlechter Luftqualität an der Wurzel zu packen, ist die Bundesregierung nun aufgefordert, die Autohersteller zu wirksamen Hardware-Umrüstungen auf Kosten der Industrie zu verpflichten. Die Hardware-Umrüstungen können damit auch die vom Gericht angesprochenen möglichen Wertverluste für die Fahrzeughalter vermeiden. Die Bundesregierung muss jetzt endlich die Verkehrswende einleiten. Ein einmaliges Sofortprogramm für Kommunen ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Notwendig sind jährlich zusätzliche Milliarden vom Bund für den Ausbau des Nahverkehrs und des Fuß- und Radverkehrs für die Kommunen.“
Quellen: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV); Allianz pro Schiene; Deutsche Naturschutzring; Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena); Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo); Brancheninitiative Zukunft Erdgas; Stephan Kühn MdB, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Sprecher für Verkehrspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen