Die IG Metall und der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) haben ein gemeinsames Positionspapier erstellt, das der F.A.Z. vorliegt. Darin fordern sie unisono “fairen Wettbewerb statt Subventionen auf europäischen Märkten“. Der ist nach ihrer Ansicht heute nicht gegeben: Vielmehr benachteiligten strukturelle Wettbewerbsverzerrungen deutsche sowie europäische Standorte grundlegend. Ohne konkrete Beispiele zu nennen, beklagen die Arbeitnehmer- und die Industrievertreter, dass das EU-Beihilferecht bei öffentlichen Vergaben in Europa nicht für außereuropäische Subventionen gilt: „Deshalb können Non-EU-Staatskonzerne völlig legal mit staatlich subventionierten Billigstangeboten EU-Vergaben von Schienenprojekten entscheiden.“
Es ist klar, wer vor allem gemeint ist: China. Dort sitzt der Bahnindustriekonzern China Railway Rolling Stock Corporation. Entstanden vor sieben Jahren aus dem Zusammenschluss zweier Staatsunternehmen, ist CRRC mit mehr als 180.000 Mitarbeitern der größte Zugproduzent der Welt. Er hat den einst dominierenden Herstellern im Westen längst den Rang abgelaufen.
So hat sich der globale Marktanteil von CRRC im Schienenfahrzeuggeschäft binnen fünf Jahren mehr als verdoppelt. 2019 lag er schon bei 51 Prozent. Nach einer Studie der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) ist CRRC viermal größer als die beiden Hauptwettbewerber. Die größte Fabrik der Chinesen sei sogar sechsmal so groß wie die des europäischen Konkurrenten Alstom, der inzwischen mit Bombardier fusionierte, um der asiatischen Konkurrenz etwas entgegenzusetzen.
Doch die profitiert davon, was im Westen als „staatlich subventioniert“ gebrandmarkt wird. Dazu gehört, dass China ausländische Anbieter weitgehend aussperrt, indem es seinen riesigen Markt stark abschottet. 2020 hat dessen Zugänglichkeit nach Daten des europäischen Bahnindustrieverbandes UNIFE ein neues Rekordtief von 17 Prozent erreicht. Offiziell dürften Ausländer im Reich der Mitte zwar ihr Geschäft betreiben. Faktisch jedoch sieht es anders aus. CRRC beherrscht 86 Prozent des gesamten chinesischen Schienenfahrzeugmarktes und fast 100 Prozent des Marktes der Hochgeschwindigkeitszüge.
„Der Grund dafür ist die starke informelle Präferenz von Chinas größtem Zugbetreiber und Ausrüstungskäufer, China Railway, für lokale Anbieter“, heißt es in der ECFR-Studie. Die Dominanz „zu Hause“ bringt CRRC auch international Vorteile. Schließlich entfällt ein Viertel der globalen Umsätze der gesamten Branche auf China – und sogar die Hälfte des globalen Marktes der Hochgeschwindigkeitszüge. Damit profitiert der Marktführer von Größenvorteilen, die er auch außerhalb der Heimat ausspielen kann. Die Konkurrenz bekommt das immer wieder in Ausschreibungen zu spüren, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten. Dort hat CRRC zwischen 2014 und 2017 Großaufträge – zum Teil im Milliardenvolumen – für die U-Bahnen in Boston, Chicago und Los Angeles sowie für den Schienenpersonennahverkehr in Philadelphia gewonnen. Zum Teil war das Angebot der Chinesen mehr als 20 Prozent billiger als das des nächsten Anbieters. In der Branche zweifelt man, ob sich damit überhaupt noch ein Gewinn erzielen lässt – und geht von Quersubventionen aus.
Quelle: Frankfurter Allgemeine