Spannung im Berliner Politik-Wartesaal

Die „Mobility Move“ in Berlin ist eine ganz besondere Mischung aus Messe und Kongress, mit einer Menge an Informationen, neuen Fahrzeugen und Komponenten sowie mannigfachen Kontakten zum Thema Elektromobilität, Autonomes Fahren und mehr. Aufgrund der zu dieser Zeit noch laufenden Regierungsbildung sowie der ausgesetzten Elektrobusförderung rückte der ansonsten sehr starke politische Aspekt eher in den Hintergrund. Ein Messerundgang zwischen dem Vortragsmarathon.

Rund 1.500 Anmeldungen plus Warteliste, über 100 Aussteller und 20 Busse auf rund 7.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Hotel Estrel sowie viele weitere Exponate zur Elektromobilität. Das wäre schon beachtlich genug gewesen, aber es kamen noch 150 Referenten in vier verschiedenen Foren dazu, die sich um Elektromobilität (gleich zweimal), Autonomes Fahren, Digitalisierung und Personal kümmerten. Erstmals dabei in Sachen Digitalisierung: das DELFI-Forum und das Zukunftsthema C-ITS zur integrierten Verkehrsbeschleunigung. Auch die NahverkehrsPraxis war mit ihrem Chefreporter Bus und Verkehrspolitik Thorsten Wagner mit von der Partie im Presse-Roundtable am zweiten Tag der Veranstaltung, auf dem Themen eingeordnet wurden und ein Ausblick auf den zweiten Tag gegeben wurde.

Trotzdem fehlte etwas in Berlin: die Politik und die positive Innovationsstimmung in Sachen Förderung der Elektromobilität, die diese „Ebuskonferenz“ bisher immer auszeichnete und sich nicht zuletzt in der feierlichen Übergabe der Förderbescheide durch das Verkehrsministerium manifestierte. Stattdessen war allenthalben Zurückhaltung und banges Warten auf die neue Koalition in Berlin mit den Händen zu greifen.

Es wird ein Verteilungskampf sein

VDV-Präsident Ingo Wortmann fand zudem starke Worte, um die Zukunft unter schwarz-rot auf einen guten ÖPNV-Kurs zu trimmen: „Wir werden profitieren vom neuen Koalitionsvertrag, aber es wird ein Verteilungskampf sein, es ist nichts vorgezeichnet!“, rief er der vollen Halle zu. „Wer Krisen in der Welt vermeiden will, der muss an den Klimaschutz ran!“ Und der sei nun mal durch nichts besser zu bekommen als durch einen leistungsstarken ÖPNV. Und er wird noch deutlicher: „Wir müssen ein Stück weit staatliche Würde bekommen, sonst ist auch beim ÖPNV schnell die Rede vom Staatsversagen. Wir müssen uns hier unserer Verantwortung bewusst sein.“ Dazu hatte der VDV auch ein 100-Tage-Programm für die neue Regierung verfasst, „relativ unbescheiden“, wie Wortmann es nennt. Jetzt fordert er einen „Masterplan, der mit der Politik verhandelt werden muss“, er sei sicher, dass dieser auch kommen werde. Die „Rohrkrepierer der letzten Legislatur seien hier nicht über zarte Ansätze hinausgekommen.“

Ein wesentlicher Kritikpunkt, der auch in Berlin immer wieder thematisiert wird, ist die 2024 eingestellte Ebusförderung, die es der Branche erschwert, den Markthochlauf weiterzuführen, „der auch durch diese Veranstaltung begleitet und vorangetrieben wurde“, so Wortmann. Pünktlich zum Kongress gab es denn auch Zahlen des Ebus-Radars von PwC und Maximilian Rohs, der in Berlin auch mit seinem Kollegen Hinrich Helms vom ifeu-Institut eine langjährige Begleitforschung vorstellte. Der Ebus sei derzeit „am Scheideweg angekommen aufgrund der fehlenden Förderung“, so Rohs. Von den rund 10.000 Elektrobussen, die eigentlich bis 2030 geplant seien von den Verkehrsunternehmen, wären viele nun verzögert oder ganz abbestellt. „Die Situation ist nicht so positiv, wie sie auf den ersten Blick aufgrund der heute gegebenen Angebotsvielfalt aussieht.“ Trotz der leicht gesunkenen Preise der Batteriebusse werde es auch 2030 noch eine Differenz von rund zehn Prozent zum Dieselpendant geben, was die Branche vor „große wirtschaftliche Herausforderungen stelle.“ Eine weitere finanzielle Unterstützung durch den Staat, wenn auch nicht mehr so intensiv wie bisher, sei unabdingbar. Dabei sollte die Branche auch einmal „nach innen schauen und eine weitere Standardisierung vorantreiben.“

Auf dem Berliner Parkett war denn aber alles andere als Standardisierung zu erkennen bei den ausgestellten Bussen. Gerade mal der Trend zum Stadtwagen unter 12 Metern war mit Exponaten von Mercedes-Benz und MCV zu erkennen, wobei die Ägypter ihren Wagen durch das leicht gekappte Heck auch noch etwas wohlproportionierter zeigten. VDL und BYD konnten wiederum mit ihren neuen Modellen mit Batterien im Boden punkten, beide Hersteller sind jetzt mit den Bussen im Markt angekommen, VDL konnte in Berlin auch einen ersten Preis für einen gewonnenen internationalen Pressetest mit nach Hause nehmen. Weitere interessante News waren die neuen Batteriegeneration von MAN, die erstmals zu sehen war und auch im Vortragsprogramm ausführlich vorgestellt wurde. Und beim Thema Wasserstoff, traditionell die dritte tragende Säule des Kongresses neben dem Autonomen Fahren, kann mit dem neuen Hyundai Modell mit eigener Brennstoffzelle ein interessanter Newcomer begrüßt werden, der sogar mit 350 und 700 bar betankt werden kann.

Wenn auch die Spannung im Berliner Politik-Wartesaal mit Händen zu greifen war, in Sachen Technologie und Innovation konnte der geneigte Besucher in Berlin bei der zweiten „Mobility Move“ voll auf seine Kosten kommen.

Autor: Thorsten Wagner

Ein ausführlicher Bericht zur Mobility Move folgt in unserem Special “Elektromobilität” in der Juniausgabe.

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