Um ihre Elektrobusflotte in Wiesbaden zu disponieren, setzt ESWE Verkehr auf die Lösungen der integrierten IVU.suite von IVU Traffic Technologies (Bild: ESWE Verkehr)

Schwarzfahren in Wiesbaden wird nicht mehr strafrechtlich verfolgt

Die Schwarzfahrer in den 300 Bussen des kommunalen Omnibusunternehmens ESWE Verkehr in Wiesbaden werden wegen ihres Fehlverhaltens künftig nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Sie müssen nur das „erhöhte Beförderungsentgelt“ von 60 Euro bezahlen. Das allerdings ist keine staatliche Sanktionierung, sondern die Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs für den Bustransport.
Als „Strafe“ reicht das nach Ansicht des Bündnisses aus Grünen, SPD, Linken und Volt völlig aus. Es hat in der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten beschlossen, über die kommunale Holding Eswe Verkehr anzuweisen, „auf die Stellung eines Strafantrags“ beim Schwarzfahren zu verzichten. Begründet wird der Beschluss mit einer erhofften Entlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Allein in Wiesbaden seien laut Kriminalstatistik im Vor-Corona-Jahr 2019 mehr als 1.500 „Beförderungserschleichungen“ registriert und bearbeitet worden.
Für die Linkskooperation im Rathaus sprach Daniel Winter (Die Linke) von „ungerechten und unsozialen Folgen“ eines Strafantrags durch Kontrolleure. Weil unter den Ertappten oft Arbeitslose, Obdachlose und Suchtkranke seien, sei die Folge des Fehlverhaltens eine Ersatzfreiheitsstrafe. Doch „Armut darf kein Haftgrund sein“, sagte Winter. Haft sei eine unverhältnismäßig hohe Strafe.
Das Bündnis verweist darauf, dass Städte wie Düsseldorf schon entsprechende Beschlüsse gefasst hätten. „Ein richtiger Schritt“, sagt Daniel Weber (Volt). Wie andere Sprecher des Bündnisses verwies er zudem auf die bundespolitische Diskussion um die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. Bislang gilt aber allerdings noch Paragraf 265 des Strafgesetzbuches, wonach das Fahren ohne Fahrschein eine „Leistungserschleichung“ ist, die mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat eine Prüfung angekündigt, ob die Straftat Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden kann. Der SPD-Bundestagsfraktion geht das nicht weit genug: Sie will den von den Nazis in den Dreißigerjahren ins Strafrecht überführte Delikt am liebsten streichen und die Strafbarkeit des Schwarzfahrens abschaffen. Bundesweit kommen jährlich rund 7.000 Schwarzfahrer hinter Gitter, was auch laut dem Wiesbadener Bündnis der Gesellschaft hohe Kosten für die Haftunterbringung aufbürdet. Verständnis bei der Opposition findet der Antrag aber nicht.
Das Busunternehmen sieht das anders. ESWE Verkehr ist mit dem Stadtverordnetenbeschluss unzufrieden. Das „nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis“, heißt es auf Anfrage. Die Herunterstufung des Schwarzfahrens zur Ordnungswidrigkeit auch für Wiederholungstäter verringere die Abschreckung derjenigen, „die permanent Beförderungsleistungen erschleichen“. ESWE sieht die Gefahr, dass sich mehr Fahrgäste als bisher den Kauf von Fahrkarten ersparen – und das könne zu Einnahmeverlusten führen.
Es gebe keine wirkliche Notwendigkeit für den Bündnisbeschluss, weil ESWE ohnehin „nur einen Bruchteil der Fälle überhaupt zu einer Strafanzeige bringt“. Durch die Weisung würde aber die Arbeit von ESWE „massiv erschwert“. Die Kontrolleure seien ohnehin häufig in einer schwierigen Situation. Der Beschluss sei „ein falsches Signal“ und widerspreche den Empfehlungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftige. Der Verband meine, „nichts hilft gegen das Schwarzfahren mehr als die Abschreckung einer drohenden Gefängnisstrafe“. Deshalb sei es wichtig, dass Schwarzfahren in Deutschland eine Straftat bleibe.

Quelle: faz.net

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