Die SPD legt in der Debatte über eine “Entkriminalisierung” des Schwarzfahrens im öffentlichen Nahverkehr einen weitgehenden Vorschlag vor. Bislang gilt das Fahren ohne Fahrschein gemäß § 265a Strafgesetzbuch (StGB) als Leistungserschleichung, die mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
Die AG Recht der SPD-Bundestagsfraktion plädiert nun für eine Streichung des Paragrafen: „Die derzeitige Kriminalisierung“, 1935 von den Nationalsozialisten in das StGB eingeführt, sei unverhältnismäßig und belaste die Justiz, insbesondere die Strafgerichte und Staatsanwaltschaften: „Wer die Miete oder eine Rechnung nicht bezahlt, kann zivilrechtlich verklagt werden, macht sich aber nicht strafbar“, heißt es in dem Entwurf.
Derzeit zählt das Fahren ohne Fahrschein zu den häufigsten Delikten, deretwegen Ersatzfreiheitsstrafen verhängt werden – und für den Staat beträchtliche Haftkosten verursachen. Bereits im vorigen Jahr hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) eine Überprüfung dieser Mechanik angekündigt. Der Deutsche Richterbund spricht sich ebenso für eine Reform des Paragrafen aus wie Linke, Grüne und hohe Vertreter der Polizei.
Die in der Diskussion vermehrt vorgetragene Lösung, Schwarzfahren zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen, geht der SPD indes nicht weit genug: Eine Behörde müsste dann Bußgeldbescheide ausfertigen, außerdem würden Staatsanwaltschaften und Gerichte, so das Fraktionspapier, „bei einem Einspruch mit einer Vielzahl von Verfahren durch Einsprüche belastet“. Die Sozialdemokraten fordern Justizminister Buschmann deshalb auf, die Strafbarkeit des Schwarzfahrens „noch in diesem Jahr“ abzuschaffen.
Kommunen und Verkehrsbetriebe indes fühlen sich von der SPD-Initiative alleingelassen. „Die politische Antwort auf Fahrgäste ohne Ticket kann nicht lauten, geltendes Recht zu ändern“, sagt Alexander Möller, Geschäftsführer ÖPNV beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen: „Nach dieser Logik müsste man auch Ladendiebstähle für Grundnahrungsmittel aus dem StGB herausnehmen“.
Quelle: spiegel.de