Interview mit Dr. Gottfried Greschner, Gründer und Geschäftsführer der INIT GmbH sowie Vorstandsvorsitzender der init SE
Nahverkehrs-praxis: Herr Dr. Greschner, erzählen Sie uns bitte etwas über Ihren Werdegang und die Entwicklung des Unternehmens.
Dr. Greschner: Nach dem Studium der Elektrotechnik habe ich einen Aushang an der Universität Stuttgart beim Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung gelesen, wonach Prof. Gerhard Schweizer Mitarbeiter für sein neues Institut für Informatik, Transport und Verkehrssysteme (ITV) an der Universität Karlsruhe suchte. Im Vorstellungsgespräch stellte er sein Forschungsprojekt „Bedarfsgesteuerte Busse“ vor. Dabei ging es um Routenoptimierung, Fahrzeugortung und Fahrgastinformation. Das fand ich in einer Zeit, in der es keine Satelliten gab und keine gute Übertragung zu den Fahrzeugen existierte, einfach faszinierend. Ich stellte deshalb meinem zukünftigen Chef am Ende die Frage, ob man sich seiner Ansicht nach mit diesem Thema auch selbständig machen könnte. Das bejahte er und half mir später auch bei der Gründung des Unternehmens.
Nachdem ich mehrere Jahre an der Universität gearbeitet hatte, gründete ich im Jahr 1983 INIT, mit zunächst 3 Mitarbeitern. Am Anfang arbeiteten wir an zwei Forschungsprojekten, zum einen dem Rufbus in Friedrichshafen und zum anderen in Wunstorf bei Hannover an einem ähnlichen Projekt. Dabei haben wir zusammen mit Partnern im größeren Umfang Software für ein Leitsystem für bedarfsgesteuerte Busse und Linienverkehr mit integrierter Fahrplanauskunft entwickelt. Das dort erworbene Know-how wurde weiterentwickelt und wir konnten es verwenden, um Ende der 80er-Jahre an mehreren Ausschreibungen teilzunehmen, u.a. in Lübeck, Aachen und Osnabrück. In Osnabrück haben wir die Ausschreibung gegen einen großen Weltkonzern als Mitanbieter gewonnen. Damals war INIT noch ein kleines Unternehmen. Deshalb waren wir auf die Ausschreibungsgewinne entsprechend stolz. Osnabrück war auch der erste Auftrag über ein vollständiges Leitsystem. Nahezu gleichzeitig begannen wir mit der Hardwareentwicklung. Der Schritt, eigene Geräte herzustellen, wurde notwendig, um die einwandfreie Funktionsweise des Systems gewährleisten zu können.
Damit war der Einstieg in den Markt gelungen, und es folgte kurz darauf ein weiterer Auftrag aus Trier.
Nahverkehrs-praxis: Wann erhielt INIT den ersten ausländischen Auftrag, und ab wann waren Sie im Ticketing tätig?
Dr. Greschner: Nicht lange nach den ersten Aufträgen in Deutschland, 1990, traf eine Anfrage von Stockholms
Lokaltrafik (SL) ein, ob wir nicht an einer Ausschreibung für ein Leitsystem in Stockholm teilnehmen wollten – im selben Brief waren gleich die Ausschreibungsunterlagen beigefügt. Wir haben dann daran teilgenommen, obwohl INIT zu dem Zeitpunkt keinerlei Aktivitäten in Schweden hatte. Die Ausschreibung haben wir gewonnen und das Projekt auch erfolgreich und profitabel abgeschlossen. Auf die Frage an den Projektleiter, wie er auf INIT gekommen sei, obwohl wir in Schweden bis dahin nicht aktiv waren, antwortete er, dass er deutsche Fachzeitschriften gelesen hatte, in denen unsere Bildschirmdarstellung abgebildet war. Das Produkt gefiel ihm so gut, dass er uns zur Ausschreibung eingeladen hat.
Ab 1995 folgten dann die ersten Ticketing-Projekte. Wir waren – soweit uns bekannt ist – die ersten, die im Rahmen eines Forschungsprojektes Karten für das Bezahlen im ÖPNV eingeführt haben. Umgesetzt haben wir das damals in Marburg, zusammen mit einem finnischen Partner. Dieses Bezahlen mit der Karte lief in Marburg über viele Jahre, und es ist ein Beispiel für unsere Philosophie der Nachhaltigkeit. Hierzu mussten wir lange Zeit Lagerbestände für die im Projekt eingesetzten Produkte vorhalten. Das ist bei der schnellen Entwicklung im PC- , Elektronik und Handybereich, wo oft schon nach wenigen Jahren keine Ersatzteile mehr zu bekommen sind, die Ausnahme.
Mehrere Anfragen aus den USA führten dazu, dass wir uns entschieden, mit unseren Produkten auch auf den nordamerikanischen Markt zu gehen. Die Gründung der Niederlassung in den USA fand 1999 statt. Wir waren auch dort mit unserer Technologie allen Wettbewerbern, die ursprünglich oft aus der Satellitentechnik kamen, weit voraus. Unser großes Problem war, dass wir damals zwar schon in mehreren europäischen Städten Projekte umgesetzt hatten, aber noch keines in Nordamerika. Wir konnten also kein Referenzprojekt aus dieser Region vorweisen. Deshalb haben wir an der Ost- und der Westküste je ein Pilotprojekt mehr oder weniger zu einem symbolischen Preis durchgeführt. Sie waren erfolgreich, und es lief sehr gut. Aber uns ging dann aufgrund der langwierigen Markterschließung das Geld aus. INIT ist deshalb 2001 an die Börse gegangen und hat auf dem „neuen Markt“ 10 Millionen Euro aufgenommen. Das war aus damaliger Sicht viel Geld für uns, und es hat den weiteren Erfolg ermöglicht.
Vorausgegangen war die Gründung der INIT AG im Jahr 2000 als Dachgesellschaft der wachsenden INIT Gruppe. Im Januar 2001 sind wir dann mit dem Börsengang richtig durchgestartet, und am 25. Juli 2001 wurden unsere Aktien zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Damit war die Finanzierung gesichert, und wir konnten uns weiterentwickeln. Der Ausgabekurs lag bei 5,10 Euro, heute liegt der Kurs bei 30 Euro.
Nahverkehrs-praxis: Reichte das, was Sie in ihrem Produkt-Portfolio hatten, auch für die Aktivitäten in den USA aus?
Dr. Greschner: Wir waren zu der Zeit – und sind es meines Erachtens immer noch – der amerikanischen Technik weit voraus. Allerdings hatten die amerikanischen Verkehrsbetriebe zum Teil andere Anforderungen, die wir berücksichtigen mussten und die für uns neu waren.
Nahverkehrs-praxis: Die Internationalisierung von INIT schritt weiter voran, was auch der Grund für die Umwandlung von einer AG in eine Societas Europaea (SE) im Jahr 2017 war?
Dr. Greschner: Ja, eine AG gibt es nur in wenigen Ländern. SE ist eine ähnliche Konstruktion, der Name ist aber international gebräuchlich. INIT generiert den größten Teil des Umsatzes außerhalb Deutschlands und hat sich zum weltweit führenden Anbieter von integrierten Planungs-, Dispositions-, Telematik- und Ticketinglösungen für Busse und Bahnen entwickelt. Deshalb haben wir in eine SE umfirmiert.
Das komplette Interview lesen Sie in der Nahverkehrs-praxis 9/10-2023.