Interview mit Ulrich Jaeger, Verkehrsvorstand von DSW21 in Dortmund
Nahverkehrs-praxis: Herr Jaeger, Sie sind seit Januar 2023 neuer Verkehrsvorstand von DSW21. Welche Themen haben Sie im ersten halben Jahr beschäftigt, und wie sehen Ihre zukünftigen Schwerpunkte aus?
Jaeger: Es gibt eine Reihe spannender Themen, die man ansprechen kann. Das bedeutendste Thema für uns ist sicherlich das B-Wagenprojekt. Wir modernisieren dabei nicht nur 64 vorhandene Stadtbahnfahrzeuge, sondern kaufen auch 24 neue Bahnen. Das Ganze hat ein finanzielles Volumen von mehr als 200 Millionen Euro.
Darüber hinaus gibt es Themen, die die ganze Branche betreffen, ganz vorne dabei das DeutschlandTicket. Das hat uns alle intensiv beschäftigt, vor allem die Punkte Verkaufs-systeme, Einnahmeaufteilung und Finanzierung. Es waren sehr intensive Wochen, in denen das alles geklärt werden musste, und jeder Beteiligte ist froh, dass das Deutschland-Ticket jetzt endlich eingeführt ist und die Kundinnen und Kunden es nutzen können.
Nahverkehrs-praxis: Sind Ihre Erwartungen an das Ticket erfüllt worden?
Jaeger: Die bisherigen Zahlen sind sehr erfreulich. Wir haben bis jetzt mehr als 20.000 neue Abonnements. Wichtig dabei ist: Das sind keine Neukunden. Wir wissen nicht, woher die Kundinnen und Kunden kommen, aber darunter werden viele sein, die bisher eine Monatskarte besaßen, eine Viererkarte oder eine Zehnerkarte. Das sind Menschen, die das System vorher schon genutzt haben. Es gibt sicherlich auch Neukunden, aber diese große Zahl von 20.000 neuen Abonnenten ist wahrscheinlich aus dem System der bekannten Nutzer und Nutzerinnen des ÖPNV gespeist.
Nahverkehrs-praxis: Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund des Verkaufserfolgs?
Jaeger: Man merkt, die Einfachheit des Tarifs ist hochattraktiv. Der Preis spielt beim DeutschlandTicket sicherlich auch eine Rolle. Aber dass das Ticket bundesweit eingesetzt werden kann, dass es keine Tarifgrenzen mehr gibt, dass es jetzt eine Flatrate für den ÖPNV in ganz Deutschland gibt: Das ist für den Fahrgast entscheidend.
Nahverkehrs-praxis: Wird der Preis von 49 Euro so zu halten sein?
Jaeger: Nein, der Preis ist ein sensationell günstiger „Kampfpreis“. Es gibt für die Bundesregierung viele Bereiche, in die Geld investiert werden muss, der ÖPNV ist nur ein Teil davon. Aus dem Bundeshaushalt und von den Bundesländern kommen bereits jeweils 1,5 Milliarden Euro für die Finanzierung des Tickets. Wenn wir dann die Preissteigerungen in allen Bereichen betrachten, ist ganz klar, dass wir auf jeden Fall nach 2 Jahren über einen neuen, angepassten Preis für das DeutschlandTicket sprechen müssen.
Nahverkehrs-praxis: Denken Sie, dass die Kunden trotzdem weiter das DeutschlandTicket kaufen bzw. es weiter nutzen werden?
Jaeger: Den Menschen ist durchaus bewusst, dass alles im Leben teurer wird, und dass auch der ÖPNV teurer werden wird. Weil die Verkehrsunternehmen Ihre Mitarbeitenden aufgrund der allgemeinen Teuerung anders bezahlen müssen. Weil auch bei uns das Bauen teurer wird. Wir brauchen neue Infrastruktur, wir müssen Instandhaltung und Wartung durchführen. Das alles ist bei allem Frust, den die Menschen haben, etwas, dass Sie selbst kennen und auch so erwarten. Das Leben wird nun einmal immer etwas teurer, und das trifft auch auf den ÖPNV zu. Wir können den Preis nicht stabil halten, und gleichzeitig wird alles andere auch für uns teurer.
Nahverkehrs-praxis: Welche weiteren Schwerpunkte sehen Sie in Dortmund für die Zukunft?
Jaeger: Ein ganz großes Thema, nicht nur hier in Dortmund, ist: Wie gestalten wir die Verkehrswende? Welche Themen treiben wir jetzt voran, damit sie gelingen kann? Ein Punkt spielt da bei allen Stadtwerken eine Rolle, und das ist die Taktausweitung auf den bestehenden Linien. Dafür benötige ich mehr Busse und Stadtbahnfahrzeuge, aber auch mehr Personal. Es ist momentan eine große Herausforderung, Fahrpersonal zu bekommen.
Ein weiteres Thema, das bei uns in den letzten Monaten ebenfalls intensiv diskutiert wurde, ist der Ankauf von Grundstücken in Dortmund. Wir benötigen Platz für neue Betriebshöfe und müssen dafür den Markt sondieren.
Wasserstoff spielt eine große Rolle für die DSW21-Gruppe insgesamt, im ÖPNV, beim Thema Energie, bei der Wärmewende. Wo können wir Wasserstoff einsetzen, und wie wird er produziert? Wir haben z.B. gerade den Vertrag unterschrieben, der DSW21 die Option eröffnet, sich mit 20 Prozent an dem von Trianel und den Stadtwerken Hamm initiierten Wasserstoffzentrum Hamm zu beteiligen. Dort entsteht der erste kommunale Gemeinschaftselektrolyseur für Wasserstoff. Denn die entscheidende Frage ist: Wie viel grüner Wasserstoff wird für den ÖPNV zur Verfügung stehen, wenn die Industrie auf die neue Technik umstellt? Ab welchem Preis wird das für uns attraktiv, wie entwickelt sich die Brennstoffzellentechnik im Vergleich zur Batterietechnik weiter? Welche Strecken bzw. Umläufe kann ich mit dem Batteriebus bewältigen, und ab wann benötige ich ein Brennstoffzellenfahrzeug?
Das komplette Interview lesen Sie in der Nahverkehrs-praxis 6-2023.