mofair:
Nachdem die Branche in den vergangenen Monaten ein ums andere Mal vertröstet wurde, haben es die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 26. bis 28. März aus Schienensicht in sich: Geld aus der Erhöhung der LKW-Maut soll an die Schiene gehen, deren zusätzlicher Infrastrukturbedarf von 45 Milliarden Euro bis 2027 anerkannt wird. Das Bekenntnis zur Förderung der On-Board-Units, also der Empfangsgeräte für das digitale Leit- und Sicherungssystem ETCS in den Fahrzeugen, ist ebenfalls ein wesentlicher Schritt.
mofair-Präsident Tobias Heinemann:
„Das Warten hat sich doch gelohnt. Nach Monaten und Jahren des Nichtentscheidens sind nun wichtige Schritte gemacht, vor allem die Durchbrechung der bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Straße und Schiene durch Verkehrsminister Volker Wissing. Die zusätzlichen Mittel dürfen ausschließlich in die Infrastruktur fließen. Dazu müssen eine neue Finanzierungsarchitektur und die gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte kommen.
Möglichst viele Mittel müssen über Baukostenzuschüsse fließen, da nur diese neutral für den Wettbewerb sind und die Trassen- und Stationspreise nicht nach oben treiben. Insbesondere dann aber, wenn es erneut Eigenkapitalerhöhungen bei den DB-Gesellschaften geben soll, müssen die Ergebnisabführungs- und Beherrschungsverträge zwischen den Monopolbereichen und der Konzernholding gekappt werden, vollständig getrennte Bilanzen aufgestellt sowie das Cashpooling und gegenseitige Kreditvergaben beendet werden. Im Nahverkehr muss es jetzt nach der ‚Tarifoffensive‘, Stichwort Deutschlandticket, eine Angebots- und Qualitätsoffensive geben. Dafür erwarten wir angesichts der weiterhin anhaltenden Kostensteigerungen jetzt zusätzliche Mittel.“
Nach insgesamt über 30 Stunden Verhandlungen haben SPD, Grüne und FDP gestern eine Art „Koalitionsvertrag 2.0“ vorgelegt, ein Papier von 16 Seiten. Vor allem im Verkehrsbereich wurden wesentliche Weichen gestellt. Durch die Festlegung, dass „der weit überwiegende Teil“ aus Mautmehreinnahmen ab dem 1. Januar 2024 in die Schiene fließen soll, werden die bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Schiene und Straße miteinander verbunden. Damit wird ein wesentliches Hindernis für ein Umsteuern in der Klimaschutzpolitik beseitigt.
Großen Wert legt das Papier zudem auf die Digitalisierung der Schiene: Der Bund hatte bereits das digitale Kapazitätsmanagement beim bundeseigenen Infrastrukturbetreiber DB Netz (technische Beschleunigung der Trassenkonstruktion und -vergabe) unterstützt. Nun bekennt er sich dazu, dass er die notwendigen Empfangsgeräte für das „European Train Control System“ (ETCS) nicht nur beim Pilotprojekt Digitaler Knoten Stuttgart, sondern grundsätzlich fördert. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gesamtprojekt. Ein Alleinlassen der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Aufgabenträger im Regionalverkehr hätte im schlimmsten Falle zu einem Auseinanderdriften der Systeme geführt.
Wasser in den Wein bedeutet allerdings die deutliche Relativierung der Sektorziele im Klimaschutz. Sie wurde angesichts der bisherigen totalen Erfolglosigkeit des Verkehrssektors geradezu erzwungen. Sie kann aber fatale Folge haben, nämlich dann, wenn auch die Sektoren, die bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen bisher im Plan liegen (Industrie und Energieerzeugung), in ihren Anstrengungen nachlassen.
Und was wird aus dem noch im Koalitionsvertrag verankerten Anspruch, die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr bis 2030 im Vergleich zum Vorpandemieniveau zu verdoppeln? Er taucht nicht mehr auf, anders als der modal split von 25 % für den Schienengüterverkehr.
„Vielleicht ist die Aufgabe dieses Ziels angesichts des maroden Zustands der Schieneninfrastruktur und der anstehenden Generalsanierungen realistisch“, räumt mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen ein und fährt fort: „aber es wäre ehrlicher gewesen, das auch so zu sagen. Ein bisher hochgehaltenes Ziel durch Verschweigen einzukassieren, ist keine ehrliche Kommunikation.“
Quelle: mofair
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV):
Der Branchenverband VDV begrüßt die Ergebnisse des gestern zu Ende gegangenen Koalitionsausschusses der Bundesregierung: „Das ist ein wichtiger Schritt für die Schieneninfrastruktur, für die Eisenbahn in Deutschland und damit auch für mehr klimafreundlichen Verkehr: erhöhte Investitionen ins Netz, Ausbau von Terminals im Kombinierten Verkehr und Beschleunigungen bei der Planung sind zentrale Ergebnisse, die das Gesamtsystem in den kommenden Jahren deutlich voranbringen werden. Das begrüßen wir, jetzt kommt es auf eine schnelle Umsetzung dieser Beschlüsse an“, so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.
Die Ampel-Koalition beziffert das notwendige Investitionsvolumen in die Eisenbahninfrastruktur auf 45 Milliarden Euro bis 2027. Zur Gegenfinanzierung soll unter anderem ein erheblicher Anteil der Mehreinnahmen aus der erhöhten LKW-Maut dienen. Zudem sollen Schienenprojekte, die bisher als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft waren, künftig als „überragendes öffentliches Interesse“ definiert werden. Dadurch sollen Planung und Umsetzung dieser Projekte beschleunigt werden.
Oliver Wolff: „Für die Planungsbeschleunigung war es Bundesverkehrsminister Wissing wichtig, dass dies für Schiene und Straße gleichermaßen gilt. Sowohl Personenverkehr als auch Güterverkehr können nicht losgelöst auf einen Verkehrsträger gedacht werden. Daher ist zu begrüßen, dass die Planungsbeschleunigung nun verkehrsträgerübergreifend umgesetzt wird und zwar jetzt. Planungs- und Bauverzögerungen kosten immenses Geld, das an anderen Stellen deutlich besser investiert wird. Wer die Verkehrswende will, der muss schneller Planung umsetzen. Das geschieht jetzt und das begrüßen wir ausdrücklich. Es ist absolut sinnvoll, dass bei Mehrinvestitionen in die Infrastruktur durch flankierende Beschlüsse auch gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Mittel schneller eingesetzt und die Projekte schneller umgesetzt werden können. Auch die Finanzierung aus den Mehreinnahmen der LKW-Maut macht Sinn, denn wir müssen künftig mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern, um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen.“
Quelle: VDV
Allianz pro Schiene:
Die Allianz pro Schiene wertet die Ergebnisse des Koalitionsausschusses für die Schiene als positiv, für den Klimaschutz im Verkehr insgesamt jedoch als enttäuschend. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, nannte es einen „Riesenfortschritt“, dass der Finanzierungskreislauf „Straße finanziert Straße“ der Lkw-Maut aufgebrochen werde, damit künftig auch wieder Schieneninfrastrukturprojekte aus Mauteinnahmen finanziert werden können.
„Dadurch könnte es in den kommenden Jahren bis zu 45 Milliarden Euro zusätzlich für die Schiene geben – das wird mehr Kapazität schaffen und einen großen Unterschied für den Personen- und Güterverkehr machen“, so Flege. Außerdem haben sich die Koalitionspartner darauf verständigt, Modernisierung und Digitalisierung des Schienennetzes voranzutreiben. „Die Ampel bekennt sich jetzt eindeutig dazu, die digitale Ausrüstung von Loks und Triebwagen zu finanzieren – auch über Pilotprojekte hinaus. Das ist eine klare Richtungsentscheidung in Sachen Digitalisierung der Schiene. Der Bund sieht sich von nun an nicht nur für die Modernisierung der Infrastruktur, sondern auch der Fahrzeuge in der Verantwortung.“
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene sieht es außerdem als großen Erfolg, dass alle vordringlichen Schienenprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan zum überragenden öffentlichen Interesse erklärt werden sollen – eine zentrale Empfehlung der Beschleunigungskommission Schiene. „Darüber freuen wir uns sehr“, sagte Flege. „Allerdings erwarten wir, dass diese Einstufung auch für kleine und mittlere Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung gilt, die nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind.“
Trotz positiver Entscheidungen für die Schiene stellt Flege klar: „Die Ergebnisse des Verhandlungsmarathons zeigen leider auch, dass es in der Bundesregierung keine Klimapolitik aus einem Guss gibt. Insbesondere im Verkehrsbereich enthält das 16-seitige ,Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung‘ ein Sammelsurium teils widersprüchlicher Einzelmaßnahmen, die in Summe enttäuschend sind.“
Bei aller Freude über zusätzliche Finanzierungsquellen für die Schiene habe man große Zweifel, dass Deutschland mit den vereinbarten Maßnahmen seinen Klimazielen näher komme: „Die Aufweichung der Ziele für den Verkehrssektor wird dazu führen, dass wir beim Klimaschutz noch mehr Zeit verlieren – und den Bau neuer Autobahnen zu beschleunigen, wird die Klimaproblematik sogar weiter verschärfen. Daran ändern auch Solarpanels am Fahrbahnrand nichts“, so Flege.
Quelle: Allianz pro Schiene
Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB)
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. begrüßt die Einigung des Koalitionsausschusses zum „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“. Insbesondere die Beschlüsse zur Digitalisierung und Modernisierung der Schiene sind ein starkes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Mit der Digitalisierung und Automatisierung der Infrastruktur und Fahrzeuge erhöhen wir die Kapazität des Netzes und steigern die Qualität des Betriebs. Für die Fahrgäste bedeutet das eine höhere Pünktlichkeit und bessere Angebote. Wir wollen jetzt schnell in die Umsetzung gehen. Eine Konkretisierung der Beschlüsse muss die dafür notwendige Planungssicherheit bringen“, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck. Auch das Bekenntnis zur ETCS-Fahrzeugumrüstung ist ein wichtiger Paradigmenwechsel.
Damit die flächendeckende Digitalisierung der Schiene in Deutschland bis 2035 gelingt, spielen neben der Finanzierung auch optimiertes Planen und Bauen eine entscheidende Rolle. „Die Koalitionsbeschlüsse zur Planungsbeschleunigung geben Rückenwind für attraktive Mobilität und stärken nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Die Festlegung überragenden öffentlichen Interesses für Schienenprojekte aus dem vordringlichen Bedarf schafft enormes Beschleunigungspotenzial“, so VDB-Hauptgeschäftsführerin Sarah Stark. Jetzt gilt es, die Empfehlungen der Beschleunigungskommission Schiene, die eine schnelle Nutzung der vorhandenen Gelder ermöglichen und damit die Basis für einen optimierten Mittelabfluss künftiger Investitionen schaffen, durch begleitende Beschlüsse umzusetzen.
Quelle: VDB