mofair, Verband der Wettbewerbsbahnen im Schienenpersonenverkehr, fordert die Koalitionsparteien auf, am Donnerstag ein deutliches Zeichen für eine neue Bahnreform zu setzen. Auf der Tagesordnung des Koalitionsvertrags stehen erste Eckpunkte für die künftige Finanzierung und die Governance des Schienenverkehrs.
Notwendig ist zweierlei: Zum einen braucht es klare strukturelle Änderungen bei der Deutschen Bahn AG. Die laut Koalitionsvertrag zu errichtende gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft muss auf Qualität und Kapazität ausgerichtet werden. Um den fatalen finanziellen Ergebnisdruck seitens des DB-Konzerns von ihr zu nehmen, müssen die Ergebnisabführungsverträge zwischen den Infrastrukturunternehmen und der Holding gekündigt und das Cashpooling beendet werden. Die finanzielle Entflechtung muss vollendet werden.
Zum anderen muss die Finanzierungsarchitektur der Schiene umgestellt werden: Vom heutigen Wirrwarr aus 189 (!) Fördertöpfen mit jeweils widersprechenden Fördervoraussetzungen und Nachweisführungen hin zu zwei überjährigen Fonds, einen für den Erhalt der bestehenden Infrastruktur und einen anderen für den dringend notwendigen Aus- und Neubau.
Nach zögerlichem Start der Ampel kommt seit Ende 2022 wahrnehmbar Fahrt in die bahnpolitische Debatte: Kurz vor Weihnachten hatte die „Beschleunigungskommission Schiene“ ihren gut 120-seitigen Empfehlungsbericht an Bundesverkehrsminister Volker Wissing übergeben. Einer der Kernpunkte ist die Empfehlung, eine neue Finanzierungsarchitektur einzuführen: Zwei Finanzierungsfonds nach Schweizer Vorbild für Erhalt bzw. Aus- und Neubau würden eine kontinuierliche Finanzierung sichern und die seitens der Schienenbranche und der Bahnbauindustrie so dringend benötigte langfristige Planungssicherheit schaffen. Verbunden mit einer deutlichen Verkürzung und Entschlackung der Planungs- und Genehmigungspraxis kann so die Infrastruktur fit gemacht werden für die dringend erforderliche Verkehrsverlagerung auf die Schiene.
Die Deutsche Bahn hat währenddessen viel für eine ehrlichere Bestandsaufnahme des tatsächlichen Netzzustands getan. Schulnoten für viele tausend einzelne Punkte im Netz zeigen, dass die Wahrnehmung der Eisenbahnverkehrsunternehmen zutrifft: Der jährlich veröffentlichte „Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht“ aufgrund der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zeichnet ein noch viel zu positives Bild.
Auch deshalb verfolgen DB AG und Bundesverkehrsminister Wissing die Strategie einer „Generalsanierung“, um bis 2030 zu einem „Hochleistungsnetz“ zu kommen: Durch eine umfassende, über den 1:1-Ersatz hinausgehende, Sanierung ganzer stark befahrener Korridore soll die Trendwende hin zu mehr Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit geschafft werden.
mofair unterstützt diese Ansätze, warnt aber zugleich davor, den „kritischen Geist“ des Koalitionsvertrags zu neutralisieren. Geschäftsführer Matthias Stoffregen: „Die Autoren des Vertrags schrieben unzweideutig, dass ‚Gewinne aus der Infrastruktur‘ in der neuen gemeinwohlorientierten Gesellschaft ‚verbleiben‘ sollen. Noch deutlicher konnten sie eine Kappung der heutigen Ergebnisabführungsverträge und des Cashpoolings kaum umschreiben.“
Quelle: mofair