Das 9-Euro-Ticket ist ein Erfolg. Verkehrsverbünde und die Deutsche Bahn haben seit dem Start des deutschlandweit gültigen Nahverkehrstickets mehr als 31 Millionen Exemplare verkauft. Natürlich sind darunter viele Menschen, die das Ticket zwar einfach mal gekauft haben, es aber kaum nutzen. Aber eben auch viele, die mit dem 9-Euro-Ticket Freunde und Verwandte besuchen, was vorher aufgrund finanzieller Engpässe vielleicht nicht möglich war. Schon gar nicht kurzfristig.
Zurecht wird deshalb darüber diskutiert, ob und in welcher Form das Angebot verlängert werden kann. Denn das 9-Euro-Ticket hat auch Defizite im öffentlichen Nahverkehr offengelegt. Der befürchtete Zusammenbruch des regionalen Zugverkehrs ist zwar ausgeblieben. Dennoch gab es vielerorts Einschränkungen, vor allem, wenn Ticketinhaber ihr Fahrrad mitnehmen wollten. Volle Züge sind keine Seltenheit. Sie führen nicht dazu, dass Menschen davon überzeugt werden, ihr Auto gegen einen Zug einzutauschen. Auch wenn die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren ihr Angebot weiter ausbaut, hapert es bei den Verbindungen kommunaler Anbieter weiter. Das 9-Euro-Ticket bringt Menschen nichts, wenn ihr Bus nur stündlich und am Wochenende überhaupt nicht fährt.
Insofern überrascht es nicht, dass einige Verkehrsverbünde den günstigen Flatrate-Tarif skeptisch sehen. Es bringe nichts, so das Argument, ein günstiges Angebot zu haben, dieses aber nicht erfüllen zu können. Stattdessen verweisen die Unternehmen auf Beispiele im Ausland. In Österreich etwa sei auch erst über knapp ein Jahrzehnt den ÖPNV ausgebaut worden, ehe das landesweite 365-Euro-Jahresticket eingeführt wurde. (Anmerkung der Redaktion: Das landesweite Klimaticket in österreich kostet 1.095 Euro. Für 365 Euro gibt es Tickets in einigen, aber nicht allen Bundesländern.) Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie sich ein dauerhaft günstiges Nahverkehrsticket überhaupt finanzieren lässt. Zur Verdeutlichung: Nach Ablauf der dreimonatigen Testphase des 9-Euro-Tickets wird der Bund insgesamt 2,5 Milliarden Euro bezahlt haben.
Auf ein Jahr hochgerechnet wären das rund zehn Milliarden Euro. Das hört sich im Grunde finanzierbar an. Allerdings kämen pro Jahr noch einmal zwei bis drei Milliarden Euro hinzu, um den Ausbau der Infrastruktur zu gewährleisten. Und damit sind noch nicht mal alle Kosten berücksichtigt: Würden tatsächlich zehn Prozent der Autofahrer ihr Fahrzeug zugunsten eines 9-Euro-Tickets verkaufen, kämen für den Staat Verluste aus den Einnahmen der Energiesteuer hinzu. Das wären schätzungsweise weitere drei Milliarden Euro, die dem Bund künftig nicht mehr zur Verfügung stehen würden.
Nicht wenige Fachleute sagen, dass sich die Summe stemmen ließe. Vorausgesetzt, es würden zwei Maßnahmen umgesetzt. Erstens: Das Dieselprivileg muss abgeschafft werden. Damit ist die niedrigere Besteuerung von Diesel-Sprit gemeint. Die kostet den Bund jährlich circa 9,5 Milliarden Euro. Zweitens müsste die Pendlerpauschale gestrichen werden. Sie schlägt mit jährlich 5,5 Milliarden Euro zu Buche. Der Nachteil: Beide Maßnahmen würden vor allem zu Lasten jener Menschen gehen, die in den letzten Jahren die Stadtzentren aufgrund hoher Mieten verlassen mussten. Trotzdem zeigt der Erfolg des 9-Euro-Ticket eines: Der ÖPNV ist bislang deutlich zu teuer. Zudem sollten die unsinnigen Tarifzonen in Deutschland schleunigst abgeschafft werden. Hierzulande gibt es mehr als 300 lokale ÖPNV-Anbieter, die alle ihre eigenen Berechnungen und Tarife haben. Selbst in Städten wie Berlin, wo es zum Beispiel nur drei Tarifzonen gibt, ist es Menschen kaum verständlich zu erklären, warum sie für ein Ticket zum Flughafen plötzlich mehr bezahlen als für eine Fahrt in den nicht weniger entlegenem West-Stadtteil Spandau.
Quelle: businessinsider.de