Immer mehr flexible On-Demand-Shuttles ergänzen den klassischen Linienverkehr in Deutschland. In der Region Rhein-Main realisieren Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und Deutsche Bahn (DB) gemeinsam mit lokalen Partnern seit 2021 das deutschlandweit größte On-Demand-Angebot. 2023 sollen im RMV-Gebiet erste autonome On-Demand-Fahrzeuge auf die Straße kommen und das ÖPNV-Angebot in der Fläche maßgeblich verstärken. „Die Branche hat seit vielen Jahrzehnten umfassende und gute Erfahrungen mit so genannten Linienbedarfsverkehren wie Rufbussen, etc. Seit einigen Jahren kommen nun immer mehr neue On-Demand-Angebote im ÖPNV hinzu, auch dank der Digitalisierung und der für diese Verkehre verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungen“, so Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf der VDV-Jahrestagung.
Anfang 2019 waren es noch etwa ein Dutzend solcher neuen Angebote. Zum Ende dieses Jahres sind es mit über 80 Projekten bereits viermal so viele, Tendenz steigend. Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, dass die Branche den politischen Auftrag aus der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes umsetzt: Die Verkehrsunternehmen und Verbünde sind dabei, überall in Deutschland neue Linienbedarfsverkehre anzubieten und bestehende Angebote auszubauen. Es sind aktuell mehr als 400 Fahrzeuge in diesem Bereich unterwegs. Eine aktuelle Branchenumfrage des VDV zeigt zudem, dass sich On-Demand-Angebote im ÖPNV überall etablieren, auch außerhalb der Großstädte und Ballungsräume: 47 Prozent aller On-Demand-Verkehre sind demnach im ländlichen Raum und Kleinstädten unterwegs, 26 Prozent in Mittel- und Oberzentren, 14 Prozent im suburbanen und 13 Prozent im urbanen Raum. „Bei den Projekten im ländlichen Raum gibt es dadurch flexible Angebote, wo vorher keine waren. Zudem zeichnet sich ab, dass schwach ausgelastete Linienverkehre dort eher auf On-Demand-Angebote mit mehreren kleineren Fahrzeugen umgestellt werden. So werden effektiv Leerfahrten vermindert und stattdessen die Mobilitätsbedürfnisse unserer Fahrgäste flexibel und mit hohem Komfort bedient“, so Wortmann.
Bei den genehmigten Linienbedarfsverkehren handelt es sich in 85 Prozent der Fälle um vollständig neu geschaffene Angebote, die das bestehende ÖPNV-Angebot ergänzen, bei rund 15 Prozent wurden die bestehenden Stadt- und Rufbus-Angebote digital ausgebaut und die Bedienungsgebiete ausgeweitet. Die neuen Angebote sind dabei tariflich fast immer und vollständig in die ÖPNV-Angebots- und Tarifstrukturen integriert. Bei 40 Prozent der On-Demand-Angebote reicht das einfache Verbundticket oder das Abo zur Nutzung, bei 24 Prozent der Angebote ist zusätzlich ein Komfortzuschlag (in der Regel ein Euro) fällig, bei 26 Prozent wird der Tarif gesondert über digitale eTarife abgewickelt.
RMV: On-Demand-Pionier demnächst auch mit autonomen Fahrzeugen
Mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) ist erstmals ein Verkehrsverbund Gastgeber der VDV-Jahrestagung – und mit ihm ein Pionier bei On-Demand und autonomem Fahren. VDV-Vizepräsident und RMV-Geschäftsführer Prof. Knut Ringat: „Im RMV haben wir mit neun Partnern das größte On-Demand-Mobilitäts-Netzwerk Deutschlands unter dem Dach des Verbundes. Wir bilden die Klammer über das Gesamtprojekt mit einheitlichen Tarifrahmen und Beförderungsbedingungen. Auch die Fahrzeugbeschaffung erfolgt gebündelt über den Verbund. Vor allem aber sind die Shuttles über die zentrale RMV-On-Demand-App buchbar. Das ist fahrgastfreundlich und effizient“, so Prof. Ringat. „On-Demand-Verkehre sind für Fahrgäste hochattraktiv und bieten damit große Potenziale für die Mobilitätswende. Großflächig sind sie aber nur im autonomen Betrieb wirtschaftlich darstellbar. Deshalb wollen wir ab dem nächsten Jahr erstmals autonome Fahrzeuge im Regelbetrieb in zwei Regionen testen.“
Geplant ist, dass die deutschlandweiten ersten Fahrzeuge im autonomen Level 4- durch Darmstadt und den Kreis Offenbach fahren. Die Vorbildfunktion für die bundesweite Einführung von On-Demand-Angeboten durch die RMV-Projekte ist auch deshalb so groß, da im Projekt die Großstadt Frankfurt, Landkreise am Rande der Metropole und ländliche Landkreisen vertreten sind, also die komplette Vielfalt der Siedlungsstrukturen Deutschlands.
RMV und Deutsche Bahn realisieren erste autonome On-Demand-Flotte
Gemeinsam wollen RMV und DB die weltweit erste autonome Shuttle-Flotte realisieren, die vollständig in den Regelbetrieb des ÖPNV integriert sein soll. Das DB-Technologieunternehmen ioki soll die On-Demand-Software liefern und CleverShuttle zusammen mit den lokalen Partnern Heag mobilo und kvgOF den Betrieb vor Ort realisieren. Dr. Jörg Sandvoß, Vorstandsvorsitzender bei DB Regio: „Autonomes Fahren auf Abruf ist ein wichtiger Schritt für ein besseres ÖPNV-Angebot in der Fläche und damit mehr klimafreundliche Mobilität für alle Menschen in Deutschland. Gemeinsam mit dem RMV wollen wir schon im kommenden Jahr die weltweit erste autonome On-Demand-Flotte im Regelbetrieb des ÖPNV auf die Straße bringen. Denn erst mit fahrerlosen Shuttles, die mit normaler Geschwindigkeit unterwegs sind, schaffen wir einen ÖPNV, in den die Menschen überall und zu jeder Zeit einsteigen können.“
Flexible On-Demand-Angebote sind neben den klassischen Linienverkehren ein wichtiger Hebel für mehr und bedarfsorientierteren ÖPNV. Sie schließen die Lücke zwischen Bahnhof und Haustür – besonders auch am Stadtrand und in ländlichen Regionen. Gemeinsam realisieren die DB-Töchter DB Regio Bus, ioki und CleverShuttle schon heute On-Demand-Angebote in ganz Deutschland. Innerhalb der letzten drei Jahre hat die DB mit rund 330 Bedarfsverkehren bundesweit das bestehende Linienbusangebot erweitert und bereits sieben Millionen Fahrgäste befördert. Johann Jungwirth, Vice President MaaS, Mobileye: „Die Zukunft der Mobilität mit selbstfahrenden Fahrzeugen trägt zu mehr Sicherheit, Nachhaltigkeit und Kundenzufriedenheit im Straßenverkehr bei. Wir freuen uns, gemeinsam mit Deutsche Bahn und RMV die Vorteile von Fahrzeugen, ausgestattet mit unserem Selbstfahr-System, in Shuttle-Diensten für Ride-Pooling zu demonstrieren.“
Klimaschutzziele: On-Demand-Regelbetrieb kostet 3,8 Milliarden Euro
Die VDV-Branchenumfrage zeigt, dass Flottengrößen und Bediengebietsgrößen im urbanen Raum, in den Mittelzentren und dem ländlichen Raum auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnitten werden und sich stark unterscheiden. Die Branche ist sich dabei bewusst, dass die Herausforderungen bis zu einem bundesweiten Regelbetrieb solcher Angebote enorm sind. So sind On-Demand-Angebote zwar ein Hebel, um den ÖPNV insgesamt für mehr Menschen attraktiver zu gestalten und damit die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen. Aber ohne zusätzliche finanzielle Mittel sind sie in den kommenden Jahren nicht wirtschaftlich zu betreiben: „Der Ausbau von On-Demand-Verkehren kann zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land und zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor beitragen. Das ÖPNV-Leistungskostengutachten von Roland Berger im Auftrag des VDV hat aber auch deutlich gezeigt, dass der finanzielle Bedarf für die damit verbundene Angebotserweiterung hoch ist: Bis 2030 brauchten wir rund 3,8 Milliarden Euro zusätzlich, damit On-Demand-Verkehre in Deutschland flächendeckend im Regelbetrieb fahren können. Der Rechtsrahmen bietet mit dem PBefG klare Vorrausetzungen und wird entsprechend erfolgreich von der Branche umgesetzt. Was noch fehlt, sind die finanziellen Voraussetzungen, um die neuen Angebote nachhaltig betreiben zu können“, so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff abschließend.