Interview mit Werner Overkamp, Geschäftsführer der STOAG Stadtwerke Oberhausen GmbH, Vizepräsident und Vorsitzender des Verwaltungsrates Personenverkehr Bus beim VDV
Das Interview ist auf englisch bei Sustainable Bus erschienen.
At this year’s VDV Electric Bus Conference the study “The Decade of the Bus” commissioned by your organization and realized by PwC, was presented. May you be willing to outline the key finding of this report?
Werner Overkamp: Im Rahmen VDV-Elektrobuskonferenz Mitte März des Jahres wurde die unabhängige Studie „Das Jahrzehnt des Busses“ veröffentlicht. Sie zeigt, dass 2030 mindestens 1,8 Milliarden Euro zusätzlich in den Ausbau eines umweltfreundlichen und leistungsstarken Busverkehrs investiert werden müssen. Die Autoren belegen, dass die Attraktivität des ÖPNV vor allem über Kapazitätserweiterungen und zusätzliche Angebote im Linienbusverkehr gesteigert werden kann und damit die nötigen Fahrgastzuwächse in den kommenden Jahren realisiert werden können. Um bis 2030 den ehrgeizigen Beitrag des ÖPNV für das Erreichen der Ende März 2021 nochmals verschärften Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu schaffen, sind nochmals zusätzliche Investitionen notwendig.
350 e-buses were registered in Germany in 2020. Last year German e-bus market made a significant ramp-up, as that number corresponds to more than half the e-buses delivered between 2012 and 2020. Should we say that the energy transition process has started in German bus sector? Which figures do you expect for the coming years?
Werner Overkamp: Ja, der Wandel hin zu den klimaneutralen Bussen in Deutschland hat an Dynamik stark zunenommen. Wir sehen auf deutschen Straßen derzeit rund 500 batterieelektrische Busse, rund 1.500 Hybride und etwa 50 Brennstoffzellen-Busse, die auf Wasserstoff zurückgreifen. Für weitere 1.400 E-Busse haben die Verkehrsunternehmen bereits Förderanträge gestellt, die teilweise schon bewilligt sind. Wir rechnen mit 1.000 neuen E-Bussen jährlich in den nächsten Jahren – das ist ein Kraftakt für die Branche.
Dealing with e-buses and energy transition implies changes in the structure of public transport companies. How are VDV associates changing, in terms of organization and skills, to get ready for the challenge?
Werner Overkamp: Man muss wissen: Es geht bei dem Aufbau der E-Bus-Flotten nicht nur um Fahrzeuge. Es geht um die Entscheidung, ob man batterielektrische oder wasserstoffbetriebene Busse einsetzen möchte. Dies hat weitreichende Folgen für den Umbau des Betriebshofes: Zum einen muss für einige Jahre ein Parallelbetrieb – Diesel- und E-Busse – sichergestellt sein. Zum anderen stellen sich für die neue Antriebsart neue Fragen: Reicht der Platz im Betriebshof? Gibt es ausreichend dimensionierte Netzanschlüsse? Wie lange haben wir Parallelbetrieb? Ist mein Personal qualifiziert? Welche neuen Sicherheitsvorkehrungen habe ich zu beachten? Und nicht zuletzt: Wann werden die E-Busse schließlich geliefert? Das muss vor Ort abgewogen werden. Der VDV erarbeitet für den betrieblichen und technischen Bereich Empfehlungen, um den Verkehrsunternehmen eine Hilfestellung bei der Umstellung auf die neuen Technologien zu geben. Ein Teil der Dokumente liegt auch bereits in englischer Sprache vor.
VDV recently praised Bundesrat amendments to the Federal Government’s draft law on the implementation of the EU Clean Vehicles Directive. In particular, you’ve made a call for a national procurement quota instead of a quota that would be mandatory for each bus procurement. May you be more specific outlining the reasons for this position?
Werner Overkamp: Das Gesetzentwurf ermöglicht, dass die Länder zur Einhaltung der CVD-Mindestziele für den Bus Vereinbarungen mit der Branche treffen. Das ursprünglich vorgesehene Umsetzungskonzept würde dazu führen, dass – mit der Anwendung der CVD-Quoten für jedes einzelne Unternehmen – vor allem die kleineren Verkehrsunternehmen betriebswirtschaftlich und organisatorisch überfordert gewesen wären. Das betrifft die Umstellung der Betriebshöfe, die ab dem ersten emissionsfreien bzw. im Sinne der CVD sauberen Fahrzeug nötig wird, den Aufbau der Ladeinfrastrukturen, den parallelen Betrieb mehrerer Systeme und das Personal. Der VDV hatte sich von Anfang an für eine bundesweite Regelung mit einer nationalen Quote eingesetzt. Nun wurde der nationale Gesetzentwurf in der Art fortentwickelt, dass die Bundesländer die Aufgabe der Quotenüberwachung zugewiesen bekommen haben.
In June last year, with regards to fuel cell bus adoption, VDV released that «the number of manufacturers of hydrogen-powered buses is still very small and many system components are not yet fully developed». Do you see any signals that the situation is changing?
Werner Overkamp: Die Lage hat sich mittlerweile ein wenig entspannt. Die Bundesregierung und einige Bundesländer fördern aktiv den Aufbau von Wasserstoff-Tankinfrastruktur und nutzen den öffentlichen Verkehr als Pioniertunternehmen („first mover“) und Wasserstoff-Abnehmer. Als traditionsreiches Industrie- und Fahrzeugbauerland würden wir uns freuen, wenn wir noch mehr Angebote seitens der heimischen Industrie sehen könnten. Doch wir sind da zuversichtlich.
Main German bus producers are also well-established internal combustion engines manufacturers. This may have been a brake so far to the deployment of e-buses in the country. Is the launch of serial-produced vehicles, in 2020, leading to a change?
Werner Overkamp: Die Dieselbusse wurden über die Jahre und Jahrzehnter immer effektiver, immer emissionsärmer und sind auch heute bei einem durchschnittlichen Besetzungsgrad weitaus klimafreundlicher als der Autoverkehr. Mit der Nutzung von synthetischen Gas- oder Bio-Kraftstoffen kann die Technologie für Verbrennungsmotoren auch in die neue Zeit überführt werden. Gerade auf langen Strecken ist der Verbrennungsmotor ungeschlagen. Seit einiger Zeit sieht sich die Fahrzeugindustrie mit neuen Rahmenbedingungen konfrontiert: Klimafreundliche Antriebe sind ein Baustein der Mobilitätswende in Deutschland – und diese ist die Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz. Die deutschen Hersteller lassen sich meiner Beobachtung nach diesen Zukunftsmarkt auf Sicht nicht entgehen.
Which are the financing schemes today in place in Germany to support the transition to e-buses? Do you think they are sufficient to kick-off the transition of public transport fleets?
Werner Overkamp: Die derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen sind die Basis für den Umbau unserer Flotten in Deutschland. Es gibt verschiedene Förderungen bei Ländern, Bund und der EU. Aktuell muss man jedoch kritisch nach Brüssel schauen: Angesichts der weiter ausstehenden Notifizierung der E-Bus-Förderung durch die EU-Kommission fordern wir als Branchenverband schon seit einiger Zeit mehr Tempo beim Verfahren: Brüssel hat mit der Clean Vehicles Directive strenge Ziele vorgegeben, um die Flotten zügig auf sauberere Antriebstechniken umzustellen – und die Branche wird alles dafür tun, um diese Ziele zu erreichen. Das Bundesverkehrsministerium möchte die Kommunen und die Verkehrsunternehmen beim aufwendigen Systemwechsel vor Ort mit seiner Ende 2020 auf den Weg gebrachten E-Bus-Förderung finanziell unterstützen. Wir fordern daher eine rasche Notifizierung durch Brüssel, um die Ziele der CVD und die Klimaschutzziele im Sektor schnellstmöglich zu erreichen. Da die CVD eine Finanzierung der Mehrkosten durch die Gesellschaft fordert, muss über die angekündigte Förderung noch das Finanzsystem für den öffentlichen Verkehr überarbeitet und aktualisiert werden.
In many cases, with the transition to e-buses, public transport companies are more looking for partners than just for supplier. Which requests you feel to make at industry players at this stage?
Werner Overkamp: Die Umstellung des gesamten Betriebskonzeptes von aktuell hauptsächlich Diesel auf Elektromobilität fordert einen großen Umbau der Betriebshöfe, der Werkstätten, der Infrastruktur und der Betriebssysteme. Für solche großen Umstellungen in einem noch sehr intensiven Entwicklungsmarkt stehen den deutschen Verkehrsunternehmen nicht genügend Projektmanager zur Verfügung, um diese Projekte stemmen zu können. Daher werden viele Ausschreibungen die Gesamtumstellung und ein Gesamtkonzept vorsehen. Mit den Jahren werden sich die neuen Betriebskonzepte vollständig etablieren und sich neue Betriebsroutinen einstellen – und sich damit auch die Partnerschaft erneut wandeln.
Do you think gas-powered applications (CNG-LNG) or biofuel can play a role in the energy transition process of public transport?
Werner Overkamp: Als Branchenverband haben wir eine technologieoffene Haltung, denn die Unternehmer vor Ort können am Ende viel besser entscheiden, welchen Weg sie bei der gegenwärtigen und der prognostizierten Marktlage gehen. Als VDV-Vizepräsident erachte ich es als Vorteil, dass es eine Vielfalt gibt – und diese sich dynamisch weiterentwickelt. Sicherlich hat derzeit der batterieelektrische E-Bus einen Vorsprung – danach sah es vor einigen Jahren noch nicht aus. Dennoch kann man nicht pauschalisieren: Je nach (Wasserstoff- oder Biokraftstoff-)Verfügbarkeit vor Ort, je nach Topographie auf den Umläufen haben die „Wettbewerber“ ihre Vorteile und Einsatzgebiete. In Deutschland besteht jedoch gesellschaftliches Einvernehmen, dass man kein Bio-Kraftstoff einsetzen möchte, wenn er den Lebensmittelanbau gefährdet.
According to many, with e-buses we’ll witness an increase in the average age of the fleets, both for the longer lifespan of electric driveline components and both because the TCO of an electric bus is today calculated to be the same as a diesel bus on a timeline of 15-20 years. How do you see this scenario? Could this lead to negative repercussions on the appeal of public transport?
Werner Overkamp: Zunächst einmal haben wir mehr Aufwand und mehr Kosten. Sobald der E-Bus die Flotten dominiert, kann ich mir, mit Blick auf die geringere und weniger komplexe Komponentenanzahl im Antrieb vorstellen, dass die Fahrzeuge insgesamt länger einsetzbar sind und damit die Betriebskosten sinken. Allerdings haben wir noch sehr viele Unbekannten in dieser Rechnung: Bei manchen noch nicht so vertrauten Komponenten – zum Beispiel Batterien – und deren Wechselwirkung auf andere Syteme – zum Beispiel Heizung und Klimaanlage – wissen wir noch nicht, wie sich ihre Nutzung im Alltag darstellt.
Which tools do you think manufacturers could be providing in order to lower the upfront cost of e-buses and make them more affordable to operators? There is much talking about battery leasing and project financing, for instance…
Werner Overkamp: Mit unseren Bewertungen gehen wir davon aus, dass sich Batteriebusse über die Lebenzeit wirtschaftlich rechnen und auf ein Lebenszykluskosten-Niveau mit Dieselbussen kommen können. Die Investionskosten der Infratsruktur lassen sich jedoch nicht umlegen, ohne die betrieblichen Kosten zu erhöhen. Wir verfolgen in Deutschland aktuell eher den Weg der staatlichen Förderung. Leasing Modelle sind auf Grund der guten Bonität der Verkehrsunternehmen deutlich teurer als eine direkte Finanzierung.
The emergence of macro trends such as digitalization and energy transition are already, according to many, bringing towards a concentration of public transport services in the hands of larger companies. Then there are EU regulations which made mandatory the calling for tender for public transport services. And Covid put much pressure on PTOs balance sheets. Do you think these circumstances will end up bringing a push towards large companies getting a larger share of the market?
Werner Overkamp: Eine gute Antwort ist oft: Das kommt darauf an. In Deutschland gibt es die Sonderwirtschaftsform der kommunalen Unternehmen und die Möglichkeit einer Direktvergabe der Leistungen. Mit diesem Instrument können Städte und Kommunen auch ihre mittelständischen Unternehmen schützen und fördern. Dem Innvovationsdruck muss auf jeden Fall standgehalten werden. Wir versuchen im VDV gemeinsame Strategien und Prozesse abzustimmen und den mittelständischen Unternehmen einen Weg aufzuzeigen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Wir erwarten jedoch, dass die Anforderungen an Digitalisierung und Elektromobilität einige Unternehmen überfordern und es zu einer Marktbereinigung kommen wird. Wir dürfen nicht vergessen: Viele Jahre und Jahrzehnte wurden die Verkehrsunternehmen seitens der Politik einseitig auf Kosteneffizienz getrimmt. Öffentlicher Verkehr durfte, überspitzt gesagt, nichts kosten. Diese Zeiten der untergeordneten Rolle des öffentlichen Verkehres sind vorbei: Zum einen müssen die Unternehmen künftig befähigt werden, ihr Angebot qualitativ und quantitativ auszuweiten, denn sie übernehmen ein Stück weit die Rolle der Klimaretter im Mobilitätssektor. Zum anderen werden auch die Erwartungen an die Verkehrsunternehmen steigen: Mehr und bessere digitale Information und Tickets, mehr Bedarfsverkehre in den Stadtrandlagen oder auf dem Land, mehr Integration mit Car- und Bike-Sharing, mehr Zuverlässigkeit, Sicherheit und Sauberkeit. Man kann sagen: Die Aufgaben und Vorgaben steigen seitens der Aufgabenträger und der Kundinnen und Kunden, das bleibt nicht folgenlos.
Das Interview ist auf englisch bei Sustainable Bus erschienen.