Frau in der U-Bahn Station

Auswirkungen der Coronapandemie auf Fahrkartenabonnements im ÖPNV

Abonnements im Nahverkehr in der Pandemie

Gerät die Verkehrswende durch die Coronapandemie ins Schlingern? Im Gegensatz zu anderen Branchen haben die Verkehrsunternehmen in Abstimmung mit der jeweiligen Landespolitik den Nahverkehr in einem hohen Maße durchgehend aufrechterhalten. Die Verkehre wurden trotz deutlich geringerer Auslastung angeboten. Die Kosten der Unternehmen sind dadurch kaum reduziert, erhöhte kostenintensive Hygieneanforderungen sind umzusetzen, während die Fahrgeldeinnahmen sinken.

Viele Fahrgäste nutzen aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens Bus und Bahn nicht mehr in der gewohnten Intensität. Sie arbeiten verstärkt im Home-Office, betreuen Kinder oder sehen als Teil einer Risikogruppe die Distanz zu anderen Fahrgästen nicht gewahrt und möchten aus diesem Grunde den öffentlichen Personenverkehr nicht nutzen.

Dadurch kommt es direkt zu erheblichen Einnahmeverlusten, die dem Nahverkehr fehlen. Zwar zahlen viele Abonnenten weiter für ihre Monatskarte, Einzelfahrscheine, Wochenkarten oder Monatskarten im Einzelverkauf werden jedoch weitaus weniger abgenommen.

Viele Abonnenten möchten ihre Monatskarte in der Zeit der Krise nicht weiter zahlen und suchen nach Möglichkeiten einer Kündigung oder Stornierung. Eine massenhafte Kündigung der Abonnements wäre ein herber Rückschlag für die im Hinblick auf die Klimaschutzziele so wichtige Verkehrswende. Deshalb werden im Folgenden die Möglichkeiten abgewogen und Alternativen aufgezeigt, wie eine Kündigung der Verträge vermieden werden kann.

Wie kann der Kunde sich von dem Vertrag lösen?

Im ersten Schritt gilt es zu prüfen, ob für den Fall einer Nichtnutzung durch den Abonnenten in den Beförderungsbedingungen schon Regelungen getroffen sind. Teilweise trifft dies für den Fall einer geplanten längeren Unterbrechung oder Krankheit zu.

Beispielsweise waren in den Abobestimmungen der Verkehrsverbünde in Nordrhein-Westfalen für solche Fälle Erleichterungen für den Fahrgast insoweit vorgesehen, dass eine Hinterlegung des Tickets erfolgen konnte. Dazu war eine Mitteilung an das Verkehrsunternehmen und die Hinterlegung des Tickets bei Unternehmen für die Dauer des Aussetzens erforderlich.

In anderen Verbundgebieten existiert eine solche Klausel nicht. Dann erwägen die Fahrgäste oft eine Kündigung ihres Vertrages. Hierbei sind grundsätzlich die Kündigungsfristen zu beachten und einzuhalten. Das stellt für viele Abonnenten derzeit eine erhebliche Belastung dar, insbesondere, wenn sie beispielsweise durch Kurzarbeit, Kinderbetreuungszeiten oder sonstige Einnahmeausfälle wirtschaftliche Nachteile hinnehmen müssen und das Angebot nicht mehr wahrnehmen können. Viele Kunden fordern deshalb jetzt in der Pandemiesituation, die Fristen auszusetzen und eine außerordentliche Kündigung zu ermöglichen.

Greift der Wegfall der Geschäftsgrundlage?

Teilweise wird von den Kunden mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage argumentiert, Vergleiche zu anderen Branchen mit Dauerschuldverhältnissen, wie zum Beispiel den Fitnessstudios, werden herangezogen. In diesem Segment werden an die Vertragskunden vielfach Gutscheine ausgegeben, die später auf die Beiträge verrechnet werden können. In diesem Zusammenhang wurde auf Bundesebene ein Gutscheingesetz verabschiedet, das Veranstaltern und Betreibern erlaubt, die Kunden mit Gutscheinen zu entschädigen[1]. Dabei ist allerdings zu beachten, dass mit solchen Angeboten, das Vertragsrisiko auf den Kunden verlagert wird, was die Verbraucher oft nicht zufrieden stellt. Viele Studios haben ihren Kunden deshalb eine teils fristlose Kündigungsmöglichkeit eingeräumt.

Im öffentlichen Personenverkehr sind allerdings ganz wesentliche Unterschiede zu beachten: Fitnessstudios wurden direkt zu Beginn des Lockdowns geschlossen und durften ihre Leistung deshalb nicht mehr anbieten. Im Gegensatz dazu bestand das Angebot im Nahverkehr fast unverändert. Busse, Bahnen und Züge sind in der Regel gefahren – und fahren weiterhin. Anders als im Flugverkehr bieten die Unternehmen ihre Leistung nahezu unverändert an.

Dann bleibt die Frage, ob der Wegfall der Geschäftsgrundlage in diesen Fällen dennoch greifen kann. Grundsätzlich ist der konkrete Reisezweck bei Reisen mit Bus und Bahn nicht Gegenstand des Beförderungsvertrages. Deshalb kann der Reisende seinen Reisezweck nicht als Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) des Vertrages bewerten, denn dafür hätte der Grund der Reise auch Grundlage des Vertrages zwischen dem Fahrgast und dem Verkehrsunternehmen sein müssen. Das dürfte aber regelmäßig nicht der Fall sein, da dem Unternehmen in einem Massengeschäft wie dem öffentlichen Personenverkehr der Reisezweck nicht bekannt ist.

Eine kurzfristige Beendigung des Vertrages mit der Begründung, die Geschäftsgrundlage sei weggefallen, dürfte hier demnach nicht möglich sein. Eine Ausnahme könnte allenfalls bei speziellen Fahrkarten, wie z.B. Kombitickets zu Veranstaltungen gelten. Bei solchen Fahrkarten ist gerade der Reisezweck Auslöser für den Vertragsschluss. Wird die geplante Veranstaltung abgesagt, dann würde in diesen Fällen auch der im Vorfeld vereinbarte bestimmte Reisezweck entfallen.

Kündigung des Abonnements

Damit bliebe den Kunden in diesen Fällen nur die fristgerechte Kündigung im Rahmen der vertraglichen Vorgaben. Eine gehäufte Kündigungswelle von Nahverkehrsabonnements wirft die Gesellschaft auf dem Weg zu einer Verkehrswende deutlich zurück.


[1]Die Initiative von CDU/CSU und SPD soll die Veranstalter und Betreiber von Museen, Freizeiteinrichtungen oder Schwimmbädern bei den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie entlasten und sie vor einer Insolvenz zu schützen, indem Verbrauchern anstatt der ihnen sonst zustehenden Rückzahlung auch ein Gutschein ausgestellt werden kann. Diese Möglichkeit wird seitens verschiedener Verbraucherschutzorganisationen aber auch Landesministerien kritisch gesehen, einerseits deshalb, weil das Insolvenzrisiko des Veranstalters damit auf die Verbraucher abgewälzt wird, anderseits wird die Verfassungsmäßigkeit einer solchen nachträglichen Rechtsänderung in Frage gestellt.

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