Laut einer Meldung des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e.V. soll die Ausschreibung der Infrastrukturabgabe/ Pkw-Maut soll erst nach einem EuGH-Urteil erfolgen. Dies hat Bundesverkehrsminister Dobrindt gestern in einem Interview bekanntgegeben. Vorgestern hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren beschlossen.
Im Interview in der gestrigen Ausgabe von BILD erklärt Minister Dobrindt u.a.: „Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremst die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe. Wir verhalten uns rechtsstaatlich und werden eine Gerichtsentscheidung abwarten. Es bleibt dabei völlig klar: Die Bundesregierung hat eindeutig nachgewiesen, dass die Maut-Gesetze EU-konform sind. Deshalb bereiten wir Ausschreibung und Vergabe des Maut-Modells vor. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs können dann Suche und Auswahl eines Betreibers erfolgen, um die Infrastrukturabgabe umzusetzen. Von unserem Kurs, mehr Gerechtigkeit auf der Straße zu schaffen, lassen wir uns nicht abbringen.“
Bemerkenswert ist dabei, dass der Minister davon ausgeht, dass es zwischen Bundesregierung und Kommission keine Einigung vor einem Klageverfahren geben wird, sondern es zu einer Klage durch die Kommission und damit einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kommen wird. Dies zeigt einerseits, dass die Bundesregierung zu keinen Kompromissen bereit ist und auf ihrem Standpunkt einer EU-Konformität der Gesetze beharrt, was auch in dem Interview seitens des Ministers betont wird. Andererseits rechnet sie auch nicht mit einem Entgegenkommen durch die Kommission.
Das komplette Interview können Sie hier nachlesen.
Weiteres Vorgehen:
Das weitere Verfahren richtet sich nach § 258 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Einer Klageeinbringung durch die Kommission geht ein Vorverfahren voraus, das der Anhörung des Mitgliedstaates dient. „Artikel 258 AEUV Hat nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.“
Die Kommission leitet mit ihrem für heute erwarteten Mahnschreiben dieses Vorverfahren ein, das sie mit einer begründeten Stellungnahme an den Mitgliedstaat richtet. Dieser kann die vermeintliche Vertragsverletzung beseitigen oder sich verteidigen. Anschließend entscheidet die Kommission, ob sie eine Klage beim EuGH einbringt. Die Frist für eine Antwort Deutschlands auf das Schreiben der EU-Kommission wird von dieser gesetzt und dürfte sich im Rahmen von zwei bis drei Monaten bewegen. Ein Verfahren vor dem EuGH dauert durchschnittlich 15 bis 20 Monate.
Politische Wertung:
Sofern der Verfahrensablauf nicht eine unerwartete Beschleunigung erfährt, dürfte sich die Ausschreibung der Erhebung der Infrastrukturabgabe in das Jahr 2017 verzögern. Eine Vergabe des Systems vor der Bundestagswahl wäre dann unwahrscheinlich und würde die Entscheidung über die Vergabe in die Hand der nächsten Bundesregierung legen.
Ungeachtet der weiteren öffentlichen Diskussion im Zuge des Verfahrens ergibt sich aus der jetzt getroffenen Entscheidung eine starke Minderung politischer Risiken für die Koalition gegenüber einer Situation des Vorantreibens der Vergabe bei absehbarem EuGH-Verfahren. Der CSU wird es zwar voraussichtlich nicht gelingen, ihr Wunschprojekt vor der Bundestagswahl umzusetzen. Doch weder CDU noch SPD werden in eine Situation geraten, die für diese Wahlperiode getroffene politische Festlegung, dass deutsche Autofahrer bei der Einführung einer Infrastrukturabgabe nicht zusätzlich belastet werden, auf Druck eines europäischen Votums in Frage zu stellen. Die Pkw-Maut dürfte somit erneut Gegenstand eines Bundestagswahlkampfs werden, woraus sich Unsicherheiten über deren Einführung wie auch über die langfristige Investitionsfinanzierung und die geplante Reform der Auftragsverwaltung ergeben können.
Für Haushalt und Finanzplanung bedeutet diese Entwicklung, dass die Investitionen in 2016 sehr geringfügig niedriger ausfallen dürften, in 2017 dürfte hingegen ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag fehlen. Die Investitionslinie für Bundesfernstraßen wird 2016 dennoch bei voraussichtlich über sechs Milliarden Euro und in 2017 um weitere rund 500 Millionen Euro steigen. Genaue Zahlen sind mit dem Beschluss des Bundeskabinetts zum Haushaltsentwurf 2016 und der Finanzplanung bis 2019 am 1. Juli zu erwarten. Unklarer wird die langfristige Entwicklung der Investitionen, weil die Umstellung auf Gebührenfinanzierung nun nicht mehr als entschieden angesehen werden kann.
Quelle: Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e.V./ Bild” online