"Ja, es ist mir peinlich", sagte der Chef der Bahntochter DB Netz, Frank Sennhenn laut „Zeit-Online“ vom 9. August zur Situation am Mainzer Hauptbahnhof. Und nein, zurzeit sehe er sich nicht in der Lage, eine stabile Aussage darüber zu machen, wie es nach August weitergeht. Klar ist: In den kommenden Wochen wird es weiterhin massive Zugausfälle in Mainz geben. Sie werden sogar zunehmen, vor allem tagsüber. In den letzten beiden Augustwochen soll es von 6 bis 20 Uhr Einschränkungen geben. Nur wenige Fernzüge werden dann tagsüber und nachts fahren. Beim Regionalverkehr gilt Stunden – statt Halbstundentakt.
Der Grund ist Personalmangel. Von 15 Fahrdienstleitern sind wegen Urlaub und Krankheit derzeit in Mainz nur acht im Dienst. Nur acht von zehn Schichten könnten deshalb besetzt werden, sagte Sennhenn. Man könnte diesen Engpass so kurzfristig auch nicht beheben.
Schon seit Tagen kommt es zu Behinderungen im Bahnverkehr rund um die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt. Regelmäßig fallen Züge aus, zeitweise ist der Bahnhof vom Fernverkehr abgeschnitten. Ursprünglich sollte das Chaos bereits am kommenden Sonntag zu Ende sein. Nun wird es noch schlimmer. Mit Verspätungen sei im ganzen Rhein-Main-Gebiet zu rechnen, sagt Sennhenn.
Besonders Pendler sind von den Zugausfällen und Verspätungen betroffen. Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte deshalb Entschädigungen. "Das kann man als Fahrgast nicht einfach hinnehmen", sagte Sprecher Gerd Aschoff. Der rheinland-pfälzische Infrastruktur-Minister Roger Lewentz (SPD) rief Bahn, Stadt, Bundesbehörden sowie Bahner- und Fahrgastverbände zu einem Runden Tisch zusammen. "Was den Bahnkunden hier in Mainz gerade zugemutet wird, ist blamabel, peinlich und absolut nicht hinnehmbar", so Lewentz.
Während der DB-Netz-Chef behauptet, die Situation sei nicht absehbar gewesen, sagt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) das Gegenteil: Im ganzen Konzern herrsche Personalknappheit. "Die Vorgänge in Mainz sind nicht die ersten ihrer Art und schon gar kein Einzelfall", sagte EVG-Chef Alexander Kirchner der Welt. Zu den chronisch unterbesetzten Bereichen gehörten neben den Lokführern, Zugbegleitern und Baubereichsleitern eben auch die Fahrdienstleiter.
Nach Angaben der Gewerkschaft fehlen in diesem Bereich bundesweit gut 1.000 Mitarbeiter. Jahrelang sei Personal abgebaut und anschließend seien neue Mitarbeiter zu zögerlich eingestellt worden. Kirchner wirft der Bahn vor, ein "grundsätzliches Problem" verharmlosen zu wollen. "Wenn die Bahn jetzt sagt, der Fall in Mainz habe mit Urlaub oder Krankenständen zu tun, dann sind das Ausreden", sagte er.
Immerhin, Sennhenn sieht auch an anderen Bahnhöfen ähnliche Probleme: "Es gibt punktuell eine angespannte Situation auch an anderen Bahnhöfen", sagte er am Donnerstag. "Wir setzen dort die gleichen Maßnahmen wie in Mainz ein."
Die Bahn reagierte auf das Chaos in Mainz: Zum einen können Kunden eine Kulanzregelung nutzen. So werden Tickets und Reservierungen auf Wunsch kostenfrei erstattet, zuggebundene Fahrkarten können umgeschrieben werden. Zum anderen kündigte Personalvorstand Ute Plambeck von DB Netz an, dass künftig mehr Fahrdienstleiter ausgebildet und auch eingestellt werden sollen. Die Zahl der neuen Fahrdienstleiter sei schon für dieses Jahr um 340 auf 600 erhöht worden. Fahrdienstleister regeln den Verkehr auf den Schienen in festgelegten Regionen.